... salut de nouveau

Wieder auf Reisen.
Du fragst oft nach mir.
Ich telephonier
noch vorm Zubettgehen mit dir.


Freu mich auf den Moment,
wenn ich steh in der Tür,

und du läufst mir jauchzend entgegen.

...

Und dann öffne ich meine Arme für dich.
Ja, dann öffne ich meine Arme für dich!


Dann öffne ich meine Arme, Gerhard Schöne (1992)


Freitag, 24. August 2018

Gundermann - Von jedem Tag will ich was haben, was ich nicht vergesse...


Du bist in mein Herz gefallen
wie in ein verlassenes Haus.
Hast die Türen und Fenster weit aufgerissen.
Das Licht kann rein und raus.

Ich hatte doch schon meinen Frieden,
aber du bist so ne laute Braut.
Du hast mich wieder ausgeschnitten
aus meiner dicken Haut...

Jetzt kommen die fetten Tage, Linda
wir ham so lang auf dich gespart.
Was solln wir Euch sagen, Kinder:
Die Alten sind noch mal am Start!

Ich wusste, wie die Kugel rollt
und war nicht mehr interessiert.
Wenn der Sensenmann mich abgeholt,
hätt ich mich nicht geziert.

Meine Pistole war geladen
mit dem allerletzten Schuss.
Ich hab sie unterm Kirschenbaum vergraben,
weil ich doch hier bleiben muss.

Jetzt kommen die fetten Tage, Linda
wir ham so lang auf dich gespart.
Was solln wir Euch sagen, Kinder:
Die Alten sind noch mal am Start!

Du bist in mein Herz gefallen,
wie in ein verlassenes Haus.
Hast die Türen und Fenster weit aufgerissen,
das Licht kann rein und raus.

Ach, ich dachte, ich finde nie mehr
heim ins Weihnachtsland,
vielleicht kannst Du mein Lotse sein,
halt mich an Deiner Hand.

Jetzt kommen die fetten Tage, Linda
wir ham so lang auf dich gespart.
Was solln wir Euch sagen, Kinder:
Die Alten sind noch mal am Start!

Du bist in mein Herz gefallen,
wie in ein verlassnes Haus.
Hast die Türen und Fenster weit aufgerissen,
das Licht kann rein und raus.

Gundermann, 1992




Wem es bisher entgangen ist: Auf ins Kino!
Wer erleben möchte, wie ein ganzer Kinosaal leise mitsummt und bis zur allerletzten Sekunde des Abspanns wie festgenagelt auf den Stühlen sitzen bleibt, um sich im Halbdunkel noch mehr oder minder verstohlen die Tränen aus den Augenwinkeln zu wischen, hat beim vorgestern in den Kinos angelaufenen wundervollen Porträts Gerhard Gundi Gundermanns nun die einzigartige Gelegenheit dazu! Gundermanns Texte kommen vermeintlich schlicht und dabei herzergreifend daher, Alexander Scheer spielt sich scheinbar die Seele aus dem Leibe und gibt einen Gundermann, in dem sich der echte Gundi vermutlich gut getroffen hätte fühlen können, Anna Unterberger spielt Conny Gundermann, in einem immer turbulenten Leben stets an dessen Seite, mutig wie selbstbewusst und voller Liebe. Die Braunschweiger Zeitung schrieb, völlig zu Recht, und ich als Kind zweier Ostdeutscher mit Gundermann-Grundimprägnierung sage - erstaunlicherweise - : "Gundermann ist ein Geschenk. Eine Zeitmaschine, die Einblicke gewährt in einen Menschen und in ein System. Aus diesem Film kommt man klüger raus."

Auch Simon Hauck hat den neuesten Dresen-Film in der Kino-Zeit ausführlich besprochen, zu finden unter:Kino-Zeit Filmkritik «Gundermann» .

GUNDERMANN (2018)
Eine Filmkritik von Simon Hauck

DIE LEGENDE VON GUNDI UND CONNY

Kann ein Verräter, selbst wenn er das Herz auf dem richtigen Fleck hat, wirklich die Welt verbessern? Wie kann man überzeugter Kommunist sein und im Sozialismus trotzdem systemkritische Lieder singen? Was machst das mit einem, der sich 1976 als IM für die Stasi anwerben ließ (Deckname „Grigori“), wenn er erfährt, dass er selbst jahrelang bespitzelt worden ist? Und warum fährt einer überhaupt jeden verdammten Arbeitstag wieder in den stickig-braunen Tagebau zwischen Dresden und Cottbus zurück, obwohl er doch bereits im Vorprogramm von Bob Dylan oder Joan Baez aufgetreten ist und von seiner musikalischen Begabung seit den frühen 1990er Jahren längst schon leben könnte? 
Die kurze, aber überaus facettenreiche Vita jenes Gerhard Gundermann, der 1955 in Weimar geboren wurde, bald mit seinen Eltern nach Hoyerswerda kam und dort nach zahlreichen Auf und Ab bis zu seinem frühen Tod 1998 schließlich irgendwie hängengeblieben ist, steckt voller Widersprüche. Widersprüche, die es wert sind, erzählt zu werden, wie Andreas Dresen findet, der ihm und einer atypischen DDR-Biografie nach immerhin 12-jährigem Kampf um sein Herzensprojekt einen ganzen Kinofilm geschenkt hat. 
Dazu noch einen überaus guten, ebenso sensibel wie klug inszenierten, was nicht nur am furios aufspielenden Alexander Scheer in der titelgebenden Hauptrolle liegt, sondern auch am mit 2 zentralen Zeitachsen fein austarierten Drehbuch Laila Stielers. Sie arbeitet jetzt das sechste Mal mit Andreas Dresen (z.B. Wolke NeunWillenbrockDie Polizistin) auf bemerkenswerte Weise zusammen. Gemeinsam bilden sie auch für Gundermann ein ausgesprochen feinsinniges Kreativduo, das viel Verve, Liebe und Empathie in das Leben von „Gundi“ bringt, den viele in der DDR sozialisierte Bürger bis heute in sehr unterschiedlicher Erinnerung haben. 
Für die einen war der singende Baggerfahrer aus der Lausitz der größte künstlerische working class hero, den die spießig-provinzielle Deutsche Demokratische Republik überhaupt je hatte: Einer eben, der das Maul aufmachte – nicht zwingend für seinen eigenen Vorteil, sondern irgendwie auch als durchaus utopisch veranlagter Idealist, der sich mit den Werten des Kommunismus tatsächlich vollends identifizieren konnte. „Weil die Ideale des Kommunismus auch meine ganz persönlichen sind. Wenn es diese Weltanschauung nicht schon gäbe, hätte ich da auch selbst darauf kommen können“, bekräftigt er das einmal in einer besonders bemerkenswerten Szene im Beisein sichtlich angepinkelter SED-Bonzen, die ihn eigentlich gerade aus der Partei werfen wollen; zum wiederholten Male übrigens. 

Das versteht sich bei diesem aufmüpfig-clownesken „Gundi“ quasi von selbst – und war obendrein auch im realen Leben Gundermanns nicht (viel) anders: 1978 kickte ihn die SED „wegen unerwünschter eigener Meinung“ erstmals heraus, wie das im kühlen DDR-Duktus hieß. Die Stasi, die ihn einst selbst ins Boot geholt hatte, warf ihn 1984 – wie auch die SED im selben Jahr und nun endgültig: sprich zum zweiten Mal – heraus. Und begann ihn parallel systematisch zu bespitzeln, belegte ihn mit Auftritts- und Reiseverboten etc. und machte ihm und seiner Ehefrau Conny (eine Entdeckung: Anna Unterberger) auch generell in den letzten Jahren des DDR-Systems das Leben zunehmend schwerer. 

Für die anderen war er der kumpelige Buddy-Typ aus dem schmutzigen Tagebau-Revier, der trotz zunehmenden musikalischen Erfolgs – von der Brigade Feuerstein über die Zusammenarbeit mit Silly und der Gründung einer neuen Band mit dem provokanten Namen Die Seilschaft – bis zu seiner Arbeitslosigkeit 1997 stets auch einer der ihren war. Viel zu früh trat er von der Bühne ab und badete zu Hause in seinem bescheidenen Häuschen mit Mini-Garten in reichlich Nachwende-Melancholie, was immer noch in einigen seiner herausragenden Liedzeilen berührend nachhallt: „Ich spul’ den Film zurück – bis zu jenem Tag, bis zu jener Stelle, als es noch nicht weg war das Glück“, heißt es da etwa. 

Oder „Verbrenn die armen Träume, reiß das Häuschen nieder. Verkauf das Holz der Bäume und den Duft vom Flieder“ und besonders treffend: „Ich gehöre zu den Verlierern. Ich habe aufs richtige Pferd gesetzt, aber es hat nicht gewonnen.“ Diese gleichsam zarte wie erdige Poetik hat auch 20 Jahre nach dem Tod seines Schöpfers eine ungeheure Wirkung, weshalb viele seiner Songs in den neuen Bundesländern inzwischen fast schon Volkslied-Charakter besitzen und häufig auf diversen Konzerten gesungen werden, was im übrigen auch Andreas Dresen selbst zusammen Axel Prahl plus Band regelmäßig tut. 

In der für den wirklichen Gundermann vollends inspirierenden Mond- und Endzeit-Landschaft der Lausitz hat Andres Dresen zusammen mit seinem Stammkameramann Andreas Höfer eine überzeitliche, deutsch-deutsche Parabel erzählt, die im Grunde wie Gundermanns Leben selbst voller Widersprüche steckt, die sich jedoch erfreulicherweise ihrer Leerstellen und Fragezeichen nicht schämt, sondern diese geradezu herzberührend-offen ins Zentrum ihrer Erzählung stellt. 

Für laue Moralpredigten findet Andreas Dresens großartiger Gundermann-Film, der ungeniert zwischen (Anti-)Helden-, Heimat-, Geschichts-, Musik- und Liebesfilm hin- und her mäandert, glücklicherweise keine Zeit. Stattdessen nimmt er den Zuschauer mit Leidenschaft und ohne irgendeinen Hauch von falscher Ostalgie zurück in ein längst verschwundenes, durchaus faszinierendes Land namens DDR, das man so tatsächlich noch nicht im deutschen Nachwendekino erlebt hat. Denn tiefer als hier hat sich der deutsche Film nach 1990 selten in die Erinnerungen der einstigen Werktätigen und Baggerfahrer eingegraben. 

Kurzum - auf ins Kino! Und wer sich hinterher Gundermann singend auf dem Heimweg befindet, versteht vermutlich (hoffentlich!) ein wenig mehr von der Welt...
Luise