... salut de nouveau

Wieder auf Reisen.
Du fragst oft nach mir.
Ich telephonier
noch vorm Zubettgehen mit dir.


Freu mich auf den Moment,
wenn ich steh in der Tür,

und du läufst mir jauchzend entgegen.

...

Und dann öffne ich meine Arme für dich.
Ja, dann öffne ich meine Arme für dich!


Dann öffne ich meine Arme, Gerhard Schöne (1992)


Dienstag, 28. August 2012

Weiße Nächte [2]


Auf einmal kam mir ein Zufall zu Hilfe.
   Gegenüber auf dem Trottoir erschien plötzlich nicht weit von meiner Unbekannten ein Herr im Frack, schon in gesetzten Jahren, aber mit unsicherem Gange. Er ging schwankend und stützte sich vorsichtig gegen die Häuser. Das junge Mädchen aber schritt, so schnell sie nur irgend konnte, eilig und ängstlich dahin, wie eben alle jungen Mädchen zu gehen pflegen, die nicht wünschen, dass sich jemand erbiete, sie in der Nacht nach Hause zu begleiten, und der schwankende Herr hätte sie sicher nicht eingeholt, wenn mein Schicksal ihm nicht den Gedanken eingegeben hätte, zu einem künstlichen Mittel zu greifen. Auf einmal, ohne ein Wort zu sagen, setzte mein Herr sich in Galopp und rannte spornstreichs meiner Unbekannten nach. Sie lief wie der Wind; aber der taumelnde Herr kam ihr immer näher, erreichte sie, das junge Mädchen schrie auf - und ... ich segne das Schicksal für den vortrefflichen Knotenstock, der sich diesmal zufällig in meiner rechten Hand befand. Im Nu war ich auf dem gegenüberliegenden Trottoir; im Nu begriff der ungebetene Kavalier, wie die Sache stand, würdigte das unwiderlegliche, in meinm Stocke verkörperte Argument, verstummte und blieb zurück; und erst als wir schon sehr weit von ihm entfernt waren, protestierte er in ziemlich kräftigen Worten gegen meine Einmischung. Aber seine Worte drangen kaum mehr zu uns.
   "Geben Sie mir Ihren Arm", sagte ich zu meiner Unbekannten; "dann wird er nicht mehr wagen, Sie zu belästigen."
   Sie reichte mir schwigend ihren Arm, der noch vor Aufregung und Angst zitterte. Oh, du ungebetener Kavalier! wie segnete ich dich in diesem Augenblicke! Ich richtete einen flüchtigen Blick auf sie; sie war sehr hübsch und brünett; das hatte ich richtig erraten. An ihren schwarzen Wimpern glänzten noch ein paar Tränchen, ob von der soeben durchgemachten Angst oder von dem vorhergehenden Kummer, das weiß ich nicht. Aber auf ihren Lippen schimmerte schon ein Lächeln. Sie blickte ebenfalls verstohlen nach mir hin, errötete ein wenig und schlug die Augen nieder.
"Sehen Sie wohl, warum haben Sie vorhin nichts von mir wissen wollen? Wenn ich bei Ihnen gewesen wäre, so würde nichts passiert sein."
 - "Aber ich kannte Sie ja nicht; ich dachte, dass Sie ebenfalls..."
"Kennen Sie mich denn etwa jetzt?"
- "Doch ein wenig. Sehen Sie, zum Beispiel, warum zittern Sie?"
"Oh, Sie haben es gleich von vornherein erraten!", antwortete ich, ganz entzückt darüber, dass meine Begleiterin einen so klugen Kopf hatte; das ist neben der Schönheit kein Schaden.

Fjodor Dostojewski, Weiße Nächte, Anaconda Verlag, 2007, Köln