... salut de nouveau

Wieder auf Reisen.
Du fragst oft nach mir.
Ich telephonier
noch vorm Zubettgehen mit dir.


Freu mich auf den Moment,
wenn ich steh in der Tür,

und du läufst mir jauchzend entgegen.

...

Und dann öffne ich meine Arme für dich.
Ja, dann öffne ich meine Arme für dich!


Dann öffne ich meine Arme, Gerhard Schöne (1992)


Samstag, 22. Dezember 2012

V



Er ist den ganzen Tag durch die schwitzende Stadt gelaufen und wie ein Maulwurf in die U-Bahn hinein und hinaus, immer blinder ins Licht blinzelnd, wenn er wieder nach oben kam. Er hatte kein Ziel, die Stationen hatte er willkürlich gewählt, Straßen mit hohen und niedrigen Nummern, Plätze in vergessenen Vierteln, verfallene Parks mit zerstörten Schaukeln. Überall ist er umgeben von anderen Menschen, die endlosen Reihen ihrer Gesichter hat er für später eingespeichert, wenn er wieder allein sein wird. Er ist einer Frau mit einem Hund gefolgt, der nicht in Städte gehört.  Als sie hinter einer farblosen Haustür verschwanden, hatte der Hund ihn lange angesehen, wie ein Hund einen Menschen nicht anzusehen hat. Auch ihn mußte er also bewahren. Mit dem Fortschreiten des Tages sieht er, wie die Gesichter sich verändern, unerkennbar werden. Er überlegt sich, wie das bei ihm selbst ist, wagt sein Gesicht jedoch nicht zu berühren und weicht seinem Blick in den Schaufenstern aus. Als er zum letztenmal in der verformenden Nacht nach oben steigt, hört er, wie sie ihm folgen, wie nah sie schon sind. Das leise Ticken ihrer Nägel klingt wie eine immer schneller laufende Uhr.

Cees Nooteboom, Selbstbildnis eines Anderen, Suhrkamp Verlag, 1996, Frankfurt am Main


Für Katharina, heute, an meinem Tauftag. 
L.