... salut de nouveau

Wieder auf Reisen.
Du fragst oft nach mir.
Ich telephonier
noch vorm Zubettgehen mit dir.


Freu mich auf den Moment,
wenn ich steh in der Tür,

und du läufst mir jauchzend entgegen.

...

Und dann öffne ich meine Arme für dich.
Ja, dann öffne ich meine Arme für dich!


Dann öffne ich meine Arme, Gerhard Schöne (1992)


Freitag, 16. Juni 2017

Lupe

Sie arbeitete in Guerrero, ein paar Straßen weiter von Juliáns Wohnung,
sie war siebzehn und hatte ein Kind verloren. 
Sie musste weinen, wenn sie sich erinnerte, da, im Zimmer, im Hotel Trebol,
geräumig, dunkel, mit Bidet und Klo, der ideale 
Platz, um ein paar Jahre auszuhalten. Der ideale Platz zum Schreiben,
Memoiren, apokryphe, oder einen Kranz Horrorgedichte. Lupe
war schlank und hatte lange Beine, gefleckt wie bei den Leoparden. 
Beim ersten Mal bekam ich nicht mal eine Erektion:
Hatte ich auch nicht erwartet. Lupe erzählte von ihrem Leben
und von dem, was für sie das Glück war. 
Nach einer Woche sahen wir uns wieder. Ich traf sie
an einer Straßenecke mit den anderen Kindernutten,
sie lehnte an den Kotflügel eines alten Cadillacs.
Ich glaube, wir freuten uns über das Wiedersehen. Von da an
begann mir Lupe, Dinge aus ihrem Leben zu erzählen, mal unter Tränen, 
mal beim Vögeln, fast immer nackt im Bett, den Blick geheftet an die Zimmerdecke,
Hand in Hand mit mir. 
Ihr Sohn kam krank zur Welt, und Lupe versprach der Jungfrau,
sie werde das Gewerbe an den Nagel hängen, wenn ihr Baby nur gesund blieb. 
Ein, zwei Monate hielt sie ihr Gelöbnis, dann musste sie weitermachen. 
Dann starb ihr Sohn, und Lupe sagte, schuld daran sein sie,
sie hätte ihr Versprechen nicht gehalten. 
Die Jungfrau holte sie das Engelchen wegen eines nicht gehaltenen Versprechens.
Mir fiel dazu nichts ein.
Sicher, Kinder mochte ich, 
aber noch sollte es dauern, bis ich wusste, 
was es heißt, ein Kind zu haben. 
Und so schwieg ich, dachte daran, wie merkwürdig das war,
die Stille in jenem Hotel.
Entweder waren die Mauern reichlich dick oder wir die einzigen Gäste
oder die übrigen machten nicht einmal den Mund auf, wenn sie stöhnten.
Es war so einfach, Lupe zu etwas zu bringen und sich wie ein Mann zu
fühlen, wie ein Haufen Elend. Es war so einfach, sich an ihren Rhythmus 
anzupassen und ihr dabei zuzuhören
wie sie die Horrorfilme nacherzählte, die sie gesehen hatte,
im Kino der Calle Bucareli.
Ihre Leopardenbeine knoteten sich um meine Hüfte
und sie verbarg den Kopf an meiner Brust und suchte nach den Brustwarzen
oder dem Schlag des Herzens.
Da will ich dir einen blasen, sagte sie eines Nachts.
Häh, Lupe? Am Herzen.

Roberto Bolano
aus: Roberto Bolano, Die romantischen Hunde, Carl Hanser Verlag, 2017, München