... salut de nouveau

Wieder auf Reisen.
Du fragst oft nach mir.
Ich telephonier
noch vorm Zubettgehen mit dir.


Freu mich auf den Moment,
wenn ich steh in der Tür,

und du läufst mir jauchzend entgegen.

...

Und dann öffne ich meine Arme für dich.
Ja, dann öffne ich meine Arme für dich!


Dann öffne ich meine Arme, Gerhard Schöne (1992)


Mittwoch, 5. Juli 2017

Hinterland

Immer wieder versucht eine Klinge kalter Luft, 
das Busfenster aufzustemmen. Das Frühlingsland
läßt sich nicht aussperren. Die Klotür 
schlägt wieder und wieder. Wir sind nur wenige:
eine Frau, matt-betrunken oder bekifft,
in zerrissenen Jeans, ein spanisch-amerikanischer 
Reisender und, vorn, eine Schwarze, vermummt. 
Leere schafft eine gesellige Aura
durch die Dörfer im Norden - immer gleich,
aber wichtig in den kleinen Unterschieden
der Felder, weiter Höfe mit Wäsche, alten Geräts - wo
    Menschen leben
mit der Straße Geduld und flacher Gewißheit.

Manchmal fühl ich mich manchmal
verlassen die Musen, die Musen verlassen Amerika.
Ihre müden Gesichter sind müde der Eisenfelder,
ihre Höhlungen singen die Gruben Appalachias;
sie sind Bergfrauen, kreidedünn mit knotigen 
    Ellenbogen,
die Sehnen am Hals gespannt wie Banjosaiten,
sie, einmal gefleckte Palominos mit Mädchenmähnen,
galloppierten plinke-di-plank über blaue Weiden,
spähten in baumerstarrten Sommerseen,
als die komischen Kalender alle Wahrheit waren.
Die Abfahrt überkommt mich als Rauch
von den fernen Fabriken. 

Aber wären die Weidenlyren, die gekappten, gefächerten
    Weiden
mit klarer Übersetzung des Wassers in Lieder,
wären die Spatzen herzzerrissen wie Nachtigallen,
deren Trauer das nahe Gewitter auftürmt
über den Catskills, was wäre ihre Thema?
Die Frühlingshügel sind sonnenfleckig, die keuschen weißen 
    Scheunen blitzen
durch schirmende Blätter die Kraft ihrer Träume,
wie eine weiße Brücke aus Brettern über quengelndem Bach. 
Klare Bilder! Direkt wie eurer Töchter 
klare Blicke euer Starren erwidern,
unwiderleglich und tödlich - 
nein, sie sind sinnlicher. 
Ich verliebe mich in Amerika.

Ich muß die kalten kleinen Steine der Quelle 
auf meine Zunge legen, um ihre Sprache zu lernen,
um gewiß wie Esche und Birke zu sprechen.
Ich werde an die verwitwete Tür
eines dieser Dörfer klopfen,
wo sie mich einlassen, wie weite Wiesen,
wie blaue Leeren zwischen Bergen,
und werde ihre Arme halten an zerbrochenen Ellenbogen, 
das feuchte Haar streichen aus Stirne
warm wie Brot oder Heimkehr.

Derek Walcott
aus: Derek Walcott, Das Königreich des Sternapfels, Hanser Verlag - Edition Akzente, 1989, München / Wien