... salut de nouveau

Wieder auf Reisen.
Du fragst oft nach mir.
Ich telephonier
noch vorm Zubettgehen mit dir.


Freu mich auf den Moment,
wenn ich steh in der Tür,

und du läufst mir jauchzend entgegen.

...

Und dann öffne ich meine Arme für dich.
Ja, dann öffne ich meine Arme für dich!


Dann öffne ich meine Arme, Gerhard Schöne (1992)


Freitag, 19. August 2011

Bruissement du peuplier blanc

Eine Legende aus Japan, glaube ich, erzählt, bei der Geburt binde der Mond den Fuß eines künftigen Mannes mit einem roten Band an den Fuß einer künftigen Frau. Im Leben ist das Band unsichtbar, doch die beiden Menschen suchen einander, und wenn sie sich finden, erreichen sie das Glück auf Erden. Manche finden sich nicht; dann ist ihr Leben voller Unruhe, und sie sterben traurig; für sie wird das Glück erst in der anderen Welt beginnen; dort werden sie sehen, an wen das rote Band sie bindet. Ich weiß nicht, ob ich in dieser Welt das rote Band finden werde, das mich bindet; ich glaube, diese Legende ist, wie alle Legenden, eine poetische Tröstung. Ist der, für den man geschaffen ist, nicht der, für den geschaffen zu sein man annimmt?


Marcelle Sauvageot, Commentaire / Fast ganz die Deine, 1934 (Albin Michel), 2005 (Büchergilde Gutenberg)



Mittwoch, 3. August 2011

Merlebleu azuré


Pierre und Luce sahen wie von einer Anhöhe herab den Schatten, der sich über die Stadt legte. Noch ganz eingehüllt in die Strahlen ihrer Liebe, erwarteten sie ohne Furcht das Ende des kurzen Tages. Heute in der Nacht würden sie zu zweit sein. Wie ein abendliches Angelusläuten stieg zu ihnen, aus der Erinnerung geweckt, die wollüstige Schwermut von Debussys schönen Akkorden empor, die sie so sehr geliebt hatten. Mehr als jemals zuvor entsprach die Musik jetzt dem Bedürfnis ihrer Herzen. Sie war die einzige Kunst, die hinter dem Vorhang der Formen die Stimme der erlösten Seele sein konnte.
Am Gründonnerstag gingen sie, Luce an Pierres Seite Arm und seine Hand haltend, über die vom Regen aufgeweichten Wege der Vorstadt. Windstöße fegten über die nasse Ebene. Sie bemerkten keinen Regen, keinen Wind, nicht die Hässlichkeit der Gegend, nicht die morastige Straße.
(...)
Luce war schweigsam, sie lächelte still, wie von innen erhellt. Eine tiefe Freude umgab beide.
"Wie kommt es, dass wie uns so sehr lieben?", fragte Pierre.
"Ach, Pierre, wenn du das fragst, dann hast du mich gar nicht so lieb."
"Ich frage dich danach", sagte Pierre, "damit du mir sagst, was ich genauso gut weiß wie du."
"Ich soll dir Komplimente machen", meinte Luce. "Aber da bist du bei mir ganz schön hereingefallen. Wenn du nämlich weißt, warum ich dich liebe - ich weiß es nicht."
"Du weißt es nicht?", fragte Pierre konsterniert.
"Aber nein!" (Sie lachte in sich hinein.) "Und ich brauche es auch nicht zu wissen. Wenn man sich fragt, warum eine Sache so und so ist, dann weil man sich ihrer nicht sicher ist, weil sie nicht gut ist. Jetzt, wo ich liebe, gibt es kein Warum mehr, kein Wo, kein Wann, kein Weil noch ein Wie! Meine Liebe ist. Sie ist einfach. Alles Übrige existiert, wenn es denn will."

Und wieder fanden ihre Gesichter zueinander. Regen lief unter den ungeschickt gehaltenen Schirm und nässte ihnen Haar und Wangen. Sie schlürften ein kaltes Tröpfchen, das zwischen ihre Lippen rann.

Romain Rolland, Pierre und Luce, 1928 / 2010

http://www.youtube.com/watch?v=K2IpQYAtzto