... salut de nouveau

Wieder auf Reisen.
Du fragst oft nach mir.
Ich telephonier
noch vorm Zubettgehen mit dir.


Freu mich auf den Moment,
wenn ich steh in der Tür,

und du läufst mir jauchzend entgegen.

...

Und dann öffne ich meine Arme für dich.
Ja, dann öffne ich meine Arme für dich!


Dann öffne ich meine Arme, Gerhard Schöne (1992)


Sonntag, 30. Juli 2017

Les Combattants

Adèle Haenel dans un rôle exceptionnel -
vachement adorable!

Donnerstag, 27. Juli 2017

Geh, Gedanke

Geh, Gedanke, solang ein zum Flug klares Wort
dein Flügel ist, dich aufhebt und dorthin geht,
wo die leichten Metalle sich wiegen,
wo die Luft schneidend ist
in einem neuen Verstand,
wo Waffen sprechen 
von einziger Art.
Verficht uns dort!

Die Woge trug ein Treibholz hoch und sinkt.
Das Fieber riß dich an sich, läßt dich fallen.
Der Glaube hat nur einen Berg versetzt.

Laß stehn, was steht, geh, Gedanke!,

von nichts andrem als unsrem Schmerz durchdrungen. 
Entsprich uns ganz!

Ingeborg Bachmann
aus: Ingeborg Bachmann, Sämtliche Gedichte, Piper Verlag, 2008, München


Mittwoch, 26. Juli 2017

reisende

wir erfinden uns
zwischen den
bahnhöfen

schotter
und halme

an den weichen
geschiente küsse

gegen das fortklopfen
der züge

Uljana Wolf
aus: Christine Knödler,
Warum ist Rosa kein Wind?,
Ravensburger, 
2014, Ravensburg

Dienstag, 25. Juli 2017

Nicht fertig werden

Die Herzschläge nicht zählen
Delphine tanzen lassen
Länder aufstöbern
Aus Worten Welten rufen
horchen was Bach
zu sagen hat
Tolstoi bewundern
sich freuen
trauern
höher leben
tiefer leben
noch und noch

Nicht fertig werden

Rose Ausländer
aus: Christine Knödler, Warum ist Rosa kein Wind?, Ravensburger, 2014, Ravensburg





Montag, 24. Juli 2017

Le langage

Je songe aux jouets de mes cinq ans. Une fois miens, ils furent les maîtres. Je croyais pouvoir, avant qu'on me les offrît, les manier à ma fantaisie. Je m'aperçus très vite que je pouvais les détruire au gré de mon humeur ; mais si je les voulais vivants, que je devrais respecter leur mécanisme, leur âme immortelle.
Ainsi le langage.
 
Edmond JABÈS
Extrait de: Edmond Jabès, Marche à vif jusqu'à l'homme, NRF Poésie-Gallimard.



Im Sommer

Dünnbesiedelt das Land.
Trotz riesigen Ländern und Maschinen
Liegen die Dörfer schläfrig
In Buchsbaumgärten; die Katzen
Trifft selten ein Steinwurf.

Im August fallen Sterne.
Im September bläst man die Jagd an.
Noch fliegt die Graugans, spaziert der Storch
Über unvergiftete Wiesen. Ach, die Wolken
Wie Berge fliegen sie über die Wälder.

Wenn man hier keine Zeitung hält
Ist die Welt in Ordnung.
In Pflaumenmuskesseln
Spiegelt sich schön das eigne Gesicht und
Feuerrot leuchten die Felder.


Sarah Kirsch


Sonntag, 23. Juli 2017

Nach grauen Tagen

Eine einzige Stunde frei sein!
Frei, fern!
Wie Nachtlieder in den Sphären.
Und hoch fliegen über den Tagen
möchte ich
und das Vergessen suchen ---
über das dunkle Wasser gehen 
nach weißen Rosen,
meiner Seele Flügel geben
und, oh Gott, nichts wissen mehr
von der Bitterkeit langer Nächte,
in denen die Augen groß werden
von namenloser Not.
Tränen liegen auf meinen Wangen
aus den Nächten des Irrsinns,
des Wahnes schöner Hoffnung,
dem Wunsch, Ketten zu brechen
und Licht zu trinken ---
Eine einzige Stunde Licht schauen!
Eine einzige Stunde frei sein!

Ingeborg Bachmann
aus: Ingeborg Bachmann, Sämtliche Gedichte / Bewegung des Herzens, Piper, 2008, München



Cпаси́бо, A., ночь былa краси́вый...

gingkoblattmärchen

es war einmal
ein gingkoblatt
welches ich vor
dreißig jahren in
grimms märchen
buch vergaß
neulich klappte ich
das buch wieder
auf und sah das
gingkoblatt mitten
im froschkönig
liegen braun und
schön als hätte man
zu jugendstilzeiten
einen atompilz
entworfen über der 
betrachtung des
blattes verlor
ich die idee
des lesens klappte
das buch wieder zu 
und wusste
das gingkoblatt 
und das buch leben
glücklich zusammen 
bis an ihr ende

arne rautenberg
aus: christine knödler (hrsg.),
warum ist rosa kein wind?,
ravensburger, 2014,
ravensburg


Samstag, 22. Juli 2017

Erst versuch ich's mit Liebe

Erst
Versuch ich's mit
Liebe. Obwohl ich das
Entsprechende Wort nicht mal
Zugeflüstert gehört hab,
Versuch ich es erst mit Liebe.
Damit, wenn der Winter kommt, der
Sonnenuntergang meine Tageszeit wird,
Ich die Frage beantworten kann: Erst
Habe ich es mit Liebe
Versucht.

Toni Morrison
aus: Christine Knödler (Hrsg.), Warum ist Rosa kein Wind?, Ravensburger, 2014, Ravensburg




Freitag, 21. Juli 2017

Schlummerlied

Mein Lieb
mach sacht die Augen zu
wie etwas weich ins Wasser gleitet
so leicht und rein fall du in Schlaf
ein süßer Traum ist dir bereitet
                                schlummre du...

Mein Lieb
mach sacht die Augen zu
sei ganz bei mir laß dich in Ruh
                              schlummre du

laß mich im Schlaf ganz bei dir sein
                              schlummre du...
Mein Lieb mach sacht die Augen
                   grüngelbbraungoldne Äugelein
schlummre mein Liebes
                               schlummre ein


* * *

Du hoch oben
zwischen mit Früchten behangenen Zweigen,
die grünen Augen voll Sonne,
die Lippen honigbeschmiert.
Ich hier unten, am Baumstamm,
einen Fuß in der Grube...
Lange vor dir muß ich fort,
im Alter bist du allein.

Nâzim Hikmet
aus: Nâzim Hikmet, Die Namen der Sehnsucht, Ammann Verlag, 2008, Zürich





Donnerstag, 20. Juli 2017

Gedicht

Wie gern hab ich dein Schweigen
und dass du dich verbirgst,
lass mich sprechen mit deinem Schweigen,
das so hell ist wie eine Lampe
und wie ein Ring so einfach.
Du bist verschwiegen wie die Nacht
und so klar wie der  Himmel
die Stille vom Stern und so unbefangen.
Wie gern hab ich dein Schweigen,
so entfernt, wie mit dem Tod vereint. 
Doch dann ein Wort, ein Lächeln
genügen mir zur Freude.

Pablo Neruda
aus: Christine Knödler (Hrsg.), Warum ist Rosa kein Wind?, Ravensburger, 2014, Ravensburg

Mittwoch, 19. Juli 2017

Buon compleanno, mon vieux!


Dass du dir glückst.
Dass dir das glück anderer glücke.

Dass durch dich
Ein oder zwei menschen
Besser sich glücken.

Dass das glück dich nicht blende
Für das unglück anderer.

Dass du dir glückst
Auch im unglück.

Dass eine welt werde,
wo zusammen mit dir
viele sich glücken können.

Kurt Marti

Je voudrais vous revoir

Pour celui-ci à qui cela s'adresse, 
dans l'espérance irrépressible qu'il va bien.
L.

Dienstag, 18. Juli 2017

sommerlied

wir sind die menschen auf den wiesen
bald sind wir die menschen unter den wiesen
und werden wiesen, und werden wald
das wird ein heiterer landaufenthalt

ernst jandl
aus: ich bin so knallvergnügt, insel, 2015, berlin

Belle reprise!

Blinde-Kuh-Flashmob

Jetzt
schließen wir die Augen,
wir alle.
Dann greift jeder
nach seinem toten Winkel
und legt ihn zu den anderen,
auf den vorherbestimmten 
Platz.

Orsolya Kalász
aus: Orsolya Kalász, Das Eine, Brüterich Press, 2016, Berlin




Montag, 17. Juli 2017

Temps pour un peu de soul merveilleux...

Zeit für guten frankophonen Soul... 

The Map

Land lies in water; it is shadowed green.
Shadows, or are they shallows, as its edges
showing the line of long sea-weed ledges
where weeds hang to the simple blue from green.
Or does the land lean down to lift the sea from under,
drwaing it unperturbed around itself?
Along the fine tan sandy shelf
is the land tugging at the sea from under?

The shadow of Newfoundland lies flat and still.
Labrador's yellow, where the moony Eskimo
has oiled it. We can stroke these lovely bays,
under a glass as if they were expected to blossom,
or as if to provide a clean cage for invisible fish.
The names of seashore towns run out to sea,
the names of cities cross the neighboring mountains
- the printer here experiencing the same excitement
as when emotion too far exceeds its cause.
Theese peninsulas take the water between thumb and finger
like women feeling for the smoothness of yard-goods.

Mapped waters are more quiet than the land is,
lending the land their waves' own conformation:
and Norway's hare runs south in agitation,
profiles investigate the sea, where land land is.
Are they assigned, or can the countries pick their colors?
- What suits the character of the native waters best.
Topography displays no favorites; North's as near as West.
More delicate than the historians' are the map-makers' colors.

Elizabeth Bishop
from: Elizabeth Bishop, The Complete Poems, American Book - Stratford Press, 1969, New Jersey


Sonntag, 16. Juli 2017





In mir ist seit einiger Zeit 

wieder eine große Sehnsucht nach dem Positiven,
ohne Anführungszeichen,
nach dem, was bleibt.

Christa Wolf

aus: C. Wolf / F. Fühmann, Monsieur - wir finden uns wieder. Briefe 1968 - 1984, Aufbau Verlag, 1995, Berlin





Nur eine

"Traurig" - ist nur eine
von vielen Folgen der Deutung.
Was wir heute verkörpern,
könnte morgen schon
die Straßenseite wechseln, 
sobald es uns kommen sieht.

Orsolya Kalász
aus: Orsolya Kalász, Das Eine, Brüterich Press, 2016, Berlin



Vergnügungen

Der erste Blick aus dem Fenster am Morgen
Das wiedergefundene alte Buch
Begeisterte Gesichter
Schnee, der Wechsel der Jahreszeiten
Die Zeitung
Der Hund
Die Dialektik
Duschen, Schwimmen
Alte Musik
Bequeme Schuhe
Begreifen
Neue Musik
Schreiben, Pflanzen
Reisen
Singen
Freundlich sein.

Bertolt Brecht

aus: Christine Knödler, Warum ist Rosa kein Wind?, 
Ravensburger, 2014, Ravensburg 


Samstag, 15. Juli 2017

Wie man einen Vogel zeichnet

Male zuerst einen Käfig
mit einer offenen Tür
dann male 
irgendetwas Hübsches
irgendetwas Einfaches
irgendetwas Schönes
irgendetwas Nützliches 
was nun den Vogel angeht
so lehne die Leinwand an einen Baum
in einem Garten
in einem Wäldchen
verbirg dich hinter dem Baum
ohne zu sprechen
ohne dich zu rühren...
Bisweilen kommt der Vogel bald
aber er kann ebenso gut viele Jahre brauchen
bis er sich dazu entschließt
Verlier nicht den Mut
warte 
warte wenn's sein muss jahrelang
denn der rasche oder langsame Anflug des Vogels
hat nichts zu tun
mit dem Gelingen des Bildes
Wenn der Vogel kommt
falls er kommt 
so sei ganz still
warte bis der Vogel in den Käfig schlüpft
und wenn er hineingeschlüpft ist
schließe mit dem Pinsel leise die Tür
dann
tilge nacheinander alle Gitterstäbe aus 
wobei du keine einzige Feder des Vogels berühren darfst
Sodann male den Baum
und wähle den schönsten seiner Äste 
für den Vogel
male auch das grüne Laub und den frischen Wind
den Sonnenstaub
und das Gesumm der Grastiere in der Sommerglut
und dann warte ob der Vogel sich entschließt zu singen
Wenn der Vogel nicht singt 
so ist ein schlechtes Zeichen
Ein Zeichen dass das Bild schlecht ist
Aber wenn er singt ist es ein gutes Zeichen
ein Zeichen dass du das Bild mit deinem Namen zeichnen darfst
dann zupfst du ganz sacht 
eine Feder aus dem Vogelgefieder
und schreibst in eine Ecke des Bildes deinen Namen nieder.

Peindre d'abord une cage
avec une porte ouverte
peindre ensuite
quelque chose de joli
quelque chose de simple
quelque chose de beau
quelque chose d'utile
pour l'oiseau
placer ensuite la toile contre un arbre
dans un jardin
dans un bois
ou dans une forêt
se cacher derrière l'arbre
sans rien dire
sans bouger...
Parfois l'oiseau arrive vite
mais il peut aussi mettre de longues années
avant de se décider
Ne pas se décourager
attendre
attendre s'il le faut pendant des années
la vitesse ou la lenteur de l'arrivée de l'oiseau
n'ayant aucun rapport
avec la réussite du tableau
Quand l'oiseau arrive
s'il arrive
observer le plus profond silence
attendre que l'oiseau entre dans la cage
et quand il est entré
fermer doucement la porte avec le pinceau
puis
effacer un à un tous les barreaux
en ayant soin de ne toucher aucune des plumes de l'oiseau
Faire ensuite le portrait de l'arbre
en choisissant la plus belle de ses branches
pour l'oiseau
peindre aussi le vert feuillage et la fraîcheur du vent
la poussière du soleil
et le bruit des bêtes de l'herbe dans la chaleur de l'été
et puis attendre que l'oiseau se décide à chanter
Si l'oiseau ne chante pas
C'est mauvais signe
signe que le tableau est mauvais
mais s'il chante c'est bon signe
signe que vous pouvez signer
Alors vous arrachez tout doucement
une des plumes de l'oiseau
et vous écrivez votre nom dans un coin du tableau.

Jacques Prévert
aus: Christine Knödler (Hrsg.), 
Warum ist Rosa kein Wind?, 
Ravensburger, 2014, Ravensburg &
Librairie Gallimard, 1962, Paris



Freitag, 14. Juli 2017

Dieser Morgen

Dieser Morgen ist so beschaffen, daß ihn das bloße Verrinnen der Zeit nie veranlassen wird heraufzudämmern. Das Licht, das unsere Augen erlöschen macht, ist Dunkelheit für uns. Nur der Tag bricht an, für den wir wach sind. Noch mancher Tag harrt des Anbruchs. Die Sonne ist nur ein Morgenstern. 

Henry David Thoreau
aus: Henry David Thoreau, Walden oder Leben in den Wäldern, Diogenes Verlag, 2015, Zürich

Donnerstag, 13. Juli 2017

IBRAHIMS TRAUM

Im Traum sah ich die Liebste,
mit bloßen Brüsten,
so, von der Taille nach oben
         wie ein Mond zwischen Wolken geht sie dahin.
Sie geht, ich gehe,
ich bleibe stehen, sie auch,
ich schaue sie an und sie mich.
                  Tränentropfen 
                                fallen auf Telegrafendrähte.
Drähte: Nachricht,
Tränen, Freude.
Ein glücklicher Traum, das muß reichen.
                 Ibrahim hat noch zehn Jahre Knast.

Nâzim Hikmet
aus: Nâzim Hikmet, Die Namen der Sehnsucht, Ammann Verlag, 2008, Zürich


Mittwoch, 12. Juli 2017

Verdreckt, verlottert

Auf der Hundestraße traf meine Seele
mein Herz. Am Boden zerstört, aber lebendig,
verdreckt, verlottert und voll der Liebe.
Auf der Hundestraße, dort, wo niemand laufen mag.
Einer Straße, wo nur die Dichter unterwegs sind,
wenn nichts mehr zu tun bleibt.
Ich aber hatte noch so viel zu tun!
Und dennoch: Da war ich, ließ mich töten
von den roten Ameisen und auch
von den schwarzen, unterwegs in den 
verlassenen Dörfern: Angst und Schrecken
aufgetürmt bis zu den Sternen.
Ein Chilene, aufgewachsen in Mexiko, hält alles aus,
fand ich, aber das war nicht die Wahrheit.
In den Nächten weinte mein Herz. Fluss des Seins, so sprachen
ein paar fiebrige Lippen, die ich später als die eigenen identifizierte,
Fluss des Seins, oh, Fluss des Seins, Ekstase,
die sich an den Ufern dieser verlassenen Gefilde einschmiegt.
Philosophen und Theologen, Seher und 
Wegelagerer tauchten auf
wie wässrige Wirklichkeiten in einer aus Metall.
Nur aus Fieber und Dichtung entstehen Visionen.
Aus Liebe und Gedächtnis.
Nicht aus jenen Wegen, Ebenen.
Jenen Labyrinthen.
Und meine Seele traf am Ende auf mein Herz.
Das war krank, ja, ja, aber lebendig.

Roberto Bolaño 
aus: Roberto Bolaño, Die romantischen Hunde, Hanser, 2017, München


Dienstag, 11. Juli 2017

Die große Kunst der Deutlichkeit

Zusammen halten, verdichten, Zeichen deuten,
üben, wie man beschützt, was man liebt,
vor falscher Nähe, vor ihrer Rauheit und Schärfe,
aber auch nicht vor der entmutigenden Tristesse der echten.
Es bedarf nicht viel, die alte Heroldsregel
der 200 Schritte anzuwenden: 
Hängen Sie Ihren Entwurf
des Wappens der Liebe
draußen an einen Baum,
gehen Sie exakt so viele Schritte zurück, 
als nötig sind, um Sehnsucht zu spüren,
und mit weit aufgerissenen Augen
wenden Sie sich dort um.

Orsolya Kalász
aus: Orsolya Kalász, Das Eine, Brüterich Press, 2016, Berlin


Freitag, 7. Juli 2017

Immerhin

Was wir für fühlende Herzen empfinden,
macht uns bitter nötig für fühlende Herzen.
Immerhin sind wir es,
die wachsen, über uns hinaus,
schnell und ohne Bedauern
wie wilde Tiere ... und die Nacht.
Immerhin glauben wir,
dass Sterne uns bestaunen,
weil wir glauben, dass Schmerzen einer Logik folgen, 
an Gedanken, die immer weiter kreisen,
dem Herzen Arme immer höher wachsen,
bitte und im Nichts den nächsten Ast ergreifen.

Orsolya Kalász
aus: Orsolya Kalász, Das Eine, Brüterich Press, 2016, Berlin


Donnerstag, 6. Juli 2017

Verstehen heißt antworten

Fragen sollen es sein,
gebannt soll jede Gefahr sein
in ihrer Obhut, in ihrer Fürsorge?

Der das glaubt, den wollte ich. 

Wäre da nicht die Behauptung, 
Tage wie diese, voller Begehren,
voller Widerstände, wollen keine Fragen,
wollen Antworten.
Fragen haben uns alles voraus,
haben so viele Antworten abgeschüttelt
um bei sich zu bleiben, nicht bei uns,
die wir sie beschwören
und doch keine Geduld für sie haben.

Ich habe sie doch gesehen, in der S-Bahn,
die Frage, die keine Antwort mehr ertrug, 
zwei Stationen starrte mich 
aus einem Augenpaar das Entsetzliche an,
das nach Trost verlangt und den Trost
schon längst verleugnet hat.

Antworten kann man auch ohne Frage: 
Kommt sie nach Hause, 
macht die Tür auf, hört ihn sagen:
"Ich küsse dich schön."

Küssen ist eine schöne Antwort.
Es antwortet 
auf die liebste Frage 
und entlässt sie, 
in was auch immer,
in irgendeine Art
von Nicht-Gebraucht-Werden,
in ihre Kindheit,
als auch sie eine Antwort war:
"Ich küsse dich, 
wenn du mich küsst,
aber ich zuerst,
bald ist Abend, 
bald ist Tag, 
morgen wieder." 

Keine Frage.

Orsolya Kalász
aus: Orsolya Kalász, Das Eine, Brüterich Press, 2016, Berlin


Die Vergleiche hissen die Segel

Das Gefühl, von dir berührt zu werden, 
vergleiche ich mit einem
vom verschwenderischen Blau
des Himmels gebannten Blick.
Es ist, als würde ich schwimmen
in einem durch die Haut schimmernden See,
inmitten der gespiegelten Wolken
deiner Hand.

Orsolya Kalász
aus: Orsolya Kalász, Das Eine,
Brüterich Press, 2016, Berlin



Mittwoch, 5. Juli 2017

Liz im September

Wenn du an mich denkst, Dolores,
wenn ich mal nicht mehr bin,
dann wirst du dich so an mich erinnern:
Treibend.