... salut de nouveau

Wieder auf Reisen.
Du fragst oft nach mir.
Ich telephonier
noch vorm Zubettgehen mit dir.


Freu mich auf den Moment,
wenn ich steh in der Tür,

und du läufst mir jauchzend entgegen.

...

Und dann öffne ich meine Arme für dich.
Ja, dann öffne ich meine Arme für dich!


Dann öffne ich meine Arme, Gerhard Schöne (1992)


Sonntag, 30. September 2012

When the leaves come falling down

I saw you standing with the wind and the rain in your face
And you were thinking 'bout the wisdom of the leaves and their grace
When the leaves come falling down
In September when the leaves, come falling down

And at night the moon is shining on a clear, cloudless sky
And when the evening shadows fall I'll be there by your side
When the leaves come falling down
In September when the leaves, come falling down

Follow me down, follow me down, follow me down
To the place beside the garden and the wall
Follow me down, follow me down
To the space before the twilight and the dawn

Oh, the last time I saw Paris in the streets, in the rain
And as I walk along the boulevards with you, once again
And the leaves come falling down
In September, when the leaves come falling down

Follow me down, follow me down, follow me down
To the place between the garden and the wall
Follow me down, follow me down
To the space between the twilight and the dawn

And as I'm looking at the colour of the leaves, in your hand
As we're listening to Chet Baker on the beach, in the sand
When the leaves come falling down,
Woe in September, when the leaves come falling down
Oh when the leaves come falling down
Yeah in September when the leaves come falling down

When the leaves come falling down
In September, when the leaves come falling down

When the leaves come falling down in September, in the rain
When the leaves come falling down

When the leaves come falting down in September, in the rain
When the leaves come falling down

Van Morrison

Samstag, 29. September 2012

Die Visite

Als ich aufsah von meinem leeren Blatt,
stand der Engel im Zimmer.

Ein ganz gemeiner Engel,
vermutlich unterste Charge.

Sie können sich gar nicht vorstellen,
sagte er, wie entbehrlich Sie sind.

Eine einzige unter fünfzehntausend Schattierungen
der Farbe Blau, sagte er,

fällt mehr ins Gewicht der Welt
als alles, was Sie tun oder lassen,

gar nicht zu reden vom Felspat
und von der Großen Magellanschen Wolke.

Sogar der gemeine Froschlöffel, unscheinbar wie er ist,
hinterließe eine Lücke, Sie nicht.

Ich sah es an seinen hellen Augen, er hoffte
auf Widerspruch, auf ein langes Ringen.

Ich rührte mich nicht. Ich wartete,
bis er verschwunden war, schweigend.

Hans Magnus Enzensberger


Freitag, 28. September 2012

...wogende Hügel

Na schön, dann erübrigt sich, was ich dir sagen wollte. Ich wollte sagen, daß du weiter daran glauben mußt. Was ich darin sehe, wenn du je soweit bist - entschuldige meine Ausdrucksweise, ich habe auch meine déformation professionnelle -, das ist eine Verzahnung der historischen und der ahistorischen Welt. Nein, jetzt zuck nicht gleich zusammen... davon habe ich gerade gesprochen ... die historische Welt, das ist die der Ereignisse, die der Dinge, die du im Laufe der Zeit überall gedreht hast, ob als Auftragsarbeit oder nicht, spielt keine Rolle .... in Bosnien, in Afrika, und hier in Berlin natürlich, die Namen, Fakten, Jahreszahlen, Dramen, aber die andere, die Welt des Alltäglichen, Unbemerkten, Anonymen, oder wie hast du das damals ausgedrückt... des Unscheinbaren, das, was keiner sieht, weil es immer da ist... ich mußte daran denken, als ich heute Nacht einen Satz las, einen Ausspruch von Camus, der ungefähr so lautete: «Ihr habt mir beigebracht, wie man die Welt klassifiziert, wie die Welt funktioniert, die Welt der Gesetze und des Wissens, und jetzt weiß ich nicht mehr, warum ich das alles lernen mußte...» Ich weiß nicht mehr genau, wie dieser Satz ging, aber dann sagt er auf einmal: «Ich begreife viel mehr, wenn ich diese wogenden Hügel anschaue.» Diese wogenden Hügel, daran erinnere ich mich ganz deutlich, und dann noch etwas über den Abend und über seine Unruhe, aber bei diesen wogenden Hügeln mußte ich an dich denken. Bring ein paar wogende Hügel aus Japan mit, ja?“

Cees Nooteboom, Allerseelen, suhrkamp taschenbuch, 1999, Frankfurt am Main



Donnerstag, 27. September 2012

Zähle

Zähle die Mandeln,
zähle, was bitter war und dich wachhielt,
zähl mich dazu.

Ich suchte dein Aug, als du's aufschlugst und niemand dich ansah,
ich spann jenen heimlichen Faden,
an dem der Tau, den du dachtest,
hinunterglitt zu den Krügen,
die ein Spruch, der zu niemandes Herz fand, behütet.

Dort erst tratest du ganz in den Namen, der dein ist,
schrittest du sicheren Fußes zu dir,
schwangen die Hämmer frei im Glockenstuhl deines Schweigens,
stieß das Erlauschte zu dir,
legte das Tote den Arm auch um dich,
und ihr ginget selbdritt durch den Abend.

Mache mich bitter.
Zähle mich zu den Mandeln.

Paul Celan, Mohn und Gedächtnis, Deutsche Verlags-Anstalt, 1952 / 2012, München


Mittwoch, 26. September 2012

Tief in der Nacht ...

   ... wie ein Wächter entdeckt er, daß die Nacht den Menschen zum Vorschein bringt: diese Lichter, diese Rufe, diese Unruhe. Der einzelne Stern dort im Dunkeln: die Einsamkeit eines Hauses. Einer erlischt: das ist ein Haus, das sich über seiner Liebe schließt. Oder über seiner Langeweile. Ein Haus, das davon abläßt, der übrigen Welt sein Zeichen zu geben. Sie wissen nicht, wohin ihr Zeichen geht, die Bauern, die da mit aufgestützten Ellbogen am Tisch hocken vor ihrer Lampe: Sie wissen nicht, daß ihr Wünschen so weit trägt in der großen Nacht, die sie umfängt. Aber er, Fabien, erspäht es, wenn er tausend Kilometer weit daherkommt, auf und ab gewiegt in der Dünung der Luft, aus zehn Gewittern her wie durch Kriegsgebiet - Mondlichtungen dazwischen - und nun über diese Lichter hin... Diese Menschen meinen, ihre Lampe leuchte für ihren bescheidenen Tisch, aber vierundachtzig Kilometer weit von ihnen vernimmt jemand schon den Anruf dieses Lichtes, gleich als schwenkten sie es verzweifelt auf einer verlassenen Insel.

Antoine de Saint-Exupéry, Nachtflug

aus: Antoine de Saint-Exupéry, Worte wie Sterne, Herder Verlag, 2007, Freiburg im Breisgau


Dienstag, 25. September 2012

Matrosen-Song

Matrosen, die mit Mädchen gehn
Die wollen was Reales sehn
Da sind sie recht befehlrisch;
Ob Nigger- oder Japanfrau
Das nehmen sie nicht so genau
Darin sind sie nicht wählrisch;
Aus jedem Hafenfreudenhaus
Da hängen blaue Hosen raus
Ob Sansibar, ob Kiautschou
Ob Nigger- oder Japanfrau
Darin sind sie nicht wählrisch.
Den blauen Hosen von den Matrosen
Ist alles scheißegal
Blau ist das Leben
Blau sind die Polster im ...
Blau ist das Sterben
Blau ist das Meer und der Suff
Die blauen Hosen von den Matrosen
Sind international

Matrosen, ja, bei Licht besehn
Die müssen in die Binsen gehn
Das Meer ist da befehlrisch
Und ob bei Shanghai im Taifun
Bei Blumenau, ob bei Saigoon
Da sind sie dann nicht wählrisch;
Ob Taifun oder Sifilis
Von weißer oder gelber Miss
Ob Yankee oder Niggerpott
Ob Tiefsee oder Whiskypott
Den blauen Hosen von den Matrosen
Ist alles scheißegal
Blau ist das Leben
Blau sind die Polster im ...
Blau ist das Sterben
Blau ist das Meer und der Suff
Die blauen Hosen von den Matrosen
Sind international
     
Bertolt Brecht

aus: blaue gedichte, philipp reclam verlag, 2001 / 2012, stuttgart 


  

Montag, 24. September 2012

Gerade über uns...

   Der kleine Prinz setzte sich auf einen Stein und hob die Augen zum Himmel.
"Ich frage mich", sagte er, "ob die Sterne leuchten, damit jeder eines Tages den seinen wiederfinden kann. Schau meinen Planeten an. Er steht gerade über uns... Aber wie weit ist er fort!"

aus: Antoine de Saint-Exupéry, Worte wie Sterne / Der kleine Prinz, Herder Verlag, 2007, Freiburg im Breisgau

 

Sonntag, 23. September 2012

Barke Blau

Ich bin eine Eigenschaft 
      des Universums

es trägt mich heute 
    wie eine Farbe

Das Universum 
        trägt heute wieder:
                Barke-Blau!

Irgendwann, sagt Barke
löst mein Kopf sich auf
und übrig bleibt
eine Wolke aus Buchstaben und Zahlen
Wenn ich Glück habe
Barke kratzt sich am Kopf 
und überlegt einen Augenblick
blinkt diese Wolke am Ende 
das Wort Gott
in verschiedenen Sprachen
auch solchen
         die es noch gar nicht gibt
               und in Millionen verschiedenen Farben!

Das Universum
       trägt heute
               Barke-Blau

Niklas Stiller

aus: blaue gedichte, philipp reclam verlag, 2001 / 2012, stuttgart 

Danke, A., für den neuen alten heißgeliebten Gedichtband!
Immer und immer wieder eine Freude!


Samstag, 22. September 2012

Der Junge und das Meer [Teil 2]


   Früher war alles ganz anders gewesen. Keiner konnte sich jetzt vorstellen, keiner wußte oder ahnte auch nur, daß die Welt ganz anders aussehen könnte, hätte es vor Urzeiten nicht die Ente Luwr gegeben. Dann stünden nicht Festland gegen Wasser, Wasser gegen Land. Denn am Anfang, am Urbeginn, gab es keine Erde in der Natur - nicht einmal ein Staubkörnchen. Ringsum breitete sich Wasser, nichts als Wasser. Das Wasser war aus sich selbst entstanden, in seinem ewigen Wandelkreis - in schwarzen Abgründen, tiefen Strudeln. Wogen um Wogen rollten da, rollten auseinander, nach allen Richtungen der damals richtungslosen Welt: aus dem Nichts ins Nichts.
Die Ente Luwr aber - ganz recht, die gewöhnliche breitschnäblige Wildente, die bis zum heutigen Tag in Schwärmen zu unseren Häuptern dahinfliegt - irrte dazumal mutterseelenallein über der Welt herum, und nirgends konnte sie ihr Ei ablegen. Weit und breit war nur Wasser - nicht einmal Schilfrohr fand sich, um ein Nest zu flechten. 
Die Ente Luwr schrie in der Luft, sie fürchtete, das Ei nicht länger halten zu können, es über dem bodenlosen Abgrund zu verlieren. Wohin sie sich auch wandte, wo immer sie suchte - überall plätscherten unter ihren Flügeln Wellen, erstreckte sich das Große Wasser - Wasser ohne Grenzen, ohne Anfang und ohne Ende. 
Völlig entkräftet erkannte sie schließlich: Auf der weiten Welt gab es keinen Ort, wo sie ein Nest bauen konnte.
Da ließ sich die Ente Luwr auf dem Wasser nieder, zupfte sich Federn aus der Brust und flocht ein Nest. Und aus diesem schwimmenden Nest wuchs die Erde. Nach und nach weitete sich die Erde, wurde sie von mancherlei Geschöpfen bevölkert. Der Mensch aber tat sich unter allen hervor - er lernte, auf Skiern über Schnee zu laufen, im Boot auf dem Wasser zu fahren. Er begann, Wild zu erlegen und Fische zu fangen, nährte sich so und mehrte sein Geschlecht.
Hätte die Ente Luwr nur geahnt, wie hart das Dasein wurde mit der Entstehung des festen Landes inmitten des Wasserreichs! Kann sich doch, seit es die Erde gibt, das Meer nicht beruhigen; das Meer kämpft gegen das Land und das Land gegen das Meer. Der Mensch aber hat es zuweilen bitter schwer zwischen Land und See, zwischen See und Land. Das Meer liebt ihn nicht, denn er ist mehr der Erde verhaftet...
Der Morgen zog herauf. Wieder ging eine Nacht zu Ende, wieder wurde ein Tag geboren.

Tschingis Aitmatow, Der Junge und das Meer, Goldmann Verlag, 1978, München

  

  

Freitag, 21. September 2012

Wüste


Sagiet el-Hamra, Winter 1909 - 1910

Sie sind auf dem Gipfel einer Düne aufgetaucht, wie in einem Traum, halb verdeckt vom Sandnebel, den ihre Füße aufwirbelten. Langsam stiegen sie auf einer fast unsichtbaren Piste ins Tal hinab. An der Spitze gingen die Männer, eingehüllt in ihre Wollmäntel, das Gesicht hinter einem blauen Schleier verborgen
. Mit ihnen kamen zwei oder drei Dromedare, dann die Ziegen und die Schafe, die von den kleinen Jungen angetrieben wurden. Den Schluß bildeten die Frauen. Schwerfällige Silhouetten in schweren Mänteln, die Haut auf ihren Armen und ihrer Stirn wirkten in den indigofarbenen Tüchern noch dunkler.
Sie gingen langsam und lautlos durch den Sand, ohne darauf zu achten, wohin sie gingen. Der Wind blies ununterbrochen, der Wind der Wüste, am Tage heiß, kalt in der Nacht. Der Sand umwehte sie, umwirbelte die Hufe der Kamele und peitschte den Frauen ins Gesicht, die das blaue Tuch tiefer über die Augen zogen. Die kleinen Kinder rannten, die Säuglinge weinten, eingerollt in ein blaues Tuch, auf dem Rücken ihrer Mutter. Die Kamele brummten und niesten. Niemand wußte, wohin es ging.

Jean Marie Gustave Le Clézio, Wüste, Goldmann Verlag, 1989, München


http://www.youtube.com/watch?v=7Uz2SyfJMkQ

Donnerstag, 20. September 2012

Der Junge und das Meer [Teil 1]

   In einer dunstgeschwängerten Nacht tobte entlang der ganzen Ochotskischen Seeküste, an der ganzen Front von Land und Meer, der uralte, unbändige Kampf der zwei Elemente - das Festland trotzte dem Druck des Meeres, das Meer berannte unermüdlich das Land.
Tosend, verzweifelt stürmte das Meer im Dunkel immer wieder gegen die Klippen an und zerschellte. Qualvoll stöhnte die steinharte Erde, während sie die Angriffe des Meeres abwehrte. So liegen sie im Widerstreit seit dem Schöpfungsakt - seit der Tag zum Tag und die Nacht zur Nacht geworden; und so wird es fernerhin sein, alle Tage und alle Nächte, solange es Erde und Wasser gibt, im ewigen Zeitenlauf.
Alle Tage und alle Nächte...
Eine neue Nacht verrann. Die Nacht vor der Ausfahrt aufs Meer. In jener Nacht fand er keinen Schlaf. Zum erstenmal in seinem Leben fand er keinen Schlaf, zum erstenmal litt er an Schlaflosigkeit. 
Mit allen Fibern sehnte er den Tagesanbruch herbei, damit er hinaus konnte aufs Meer. Auf ein Robbenfell gelagert, spürte er, wie der Boden unter ihm vom Meeresanprall kaum merklich bebte, wie die Wogen in der Bucht donnerten, sich abhetzten. Er fand keinen Schlaf, lauschte hinaus in die Nacht...

Tschingis Aitmatow, Der Junge und das Meer, Goldmann Verlag, 1978, München


http://www.youtube.com/watch?v=lS-af9Q-zvQ 


Der Schneeleopard wartet noch immer auf mich, noch immer im Sprung, denke ich. 
19. Juli 2008

Mittwoch, 19. September 2012

[scheinbar kosmopolitische gedanken]

   So dünn war der Verkehrsstrom auf der Otto-Suhr-Allee geworden, daß man hätte meinen können, es wäre eine Warnung ergangen, jetzt besser zu Hause zu bleiben. Auf den Bürgersteigen ging kaum mehr jemand, der sibirische Wind hatte freies Spiel. In der Ferne sah er bereits die ersten Schneeräumgeräte mit ihren neurotischen, giftig orangen Warnblinkleuchten, und auch die wenigen Autos fuhren mit Fernlicht. Er überlegte, wieso er wohl gerade jetzt an eine griechische Insel denken mußte. Das passierte ihm öfter: Aus dem Ungereimten tauchte mit einemmal, ohne unmittelbar erkennbaren Anlaß, ein Bild auf, eine Kirche, eine Landstraße, ein paar Häuser an einer verlassenen Küste. Er wußte, dass er das irgendwann gesehen hatte, konnte sich aber nicht mehr erinnern, wo, als trüge er eine erinnerte, aber nicht mehr benennbare Erde mit sich herum, einen anderen Planeten, auf dem er ebenfalls existiert hatte, dessen Name jedoch gelöscht war. Manchmal, wie zum Beispiel jetzt, wenn er sich bis zum Äußersten anstrengte, konnte er sein Gedächtnis zwingen, mehr preiszugeben als lediglich vage Rätsel aus einem Leben, das sich bemühte, dem eines anderen zu gleichen und ihn damit in die Irre zu führen.

Cees Nooteboom, Allerseelen, suhrkamp taschenbuch, 1999, Frankfurt am Main


Dienstag, 18. September 2012

Feiner als eine Utopie

Ich verstehe, so ist dieser Staat, den wir eben erörterten und gründeten, im Geiste nur zu finden, da er auf Erden, glaube ich, nirgendwo ist.
Aber vielleicht ist er im Himmel aufgestellt als ein Beispiel für den, der ihn sehen will und danach sein eigenes Ich ordnet.

Plato, Der Staat, 9. Buch



Montag, 17. September 2012

[...]

Nicht jeder kann die Wahrheit sehen, aber sein.

Franz Kafka