... salut de nouveau

Wieder auf Reisen.
Du fragst oft nach mir.
Ich telephonier
noch vorm Zubettgehen mit dir.


Freu mich auf den Moment,
wenn ich steh in der Tür,

und du läufst mir jauchzend entgegen.

...

Und dann öffne ich meine Arme für dich.
Ja, dann öffne ich meine Arme für dich!


Dann öffne ich meine Arme, Gerhard Schöne (1992)


Freitag, 21. Juni 2013

Auf der Suche. Nach Erdbeeren.


Von allem geplagt, nur nicht vom Leben, nur nicht vom Sehen.
Ich will eine Zeit zurück, und in dieser Zeit einen Menschen.
Ein kurzer, phänomenaler Sprung nach hinten (besser: zurück?), und wenige Millisekunden später
Wieder zurück, im Jahr Hier.
Von deinen Träumen noch Schlafsand in meinen Augen -
also habe ich mir die Haare abgeschnitten, den Blick vertauscht,
das Lächeln geändert und bin ich geblieben. Den Blick ins weite,
vertraute Grün gerichtet, die Gedanken verloren und
Einen Hauch eines Parfums in der Nase.
Das Leben geht weiter.
Sagt man so.
Meins springt voran, ab und an einen scharfen Blick über die Schulter werfend.
Du.
Du Unbenennbarer.

L. / 21er juin 2013, Templin



Zwei Jahre später lese ich diesen Text wieder und entdecke - nur noch Spuren einer Vergangenheit. Jetzt lebe ich, neu, anders, ich bin glücklich, ich liebe und werde geliebt. 
Und das ist ebenso wundervoll wie kostbar. 
L.


Donnerstag, 20. Juni 2013

Birne

Die Luft in der Tram duftet nach Birnen, sonnenwarmen Birnen.
Und ein wenig Ice Dive von Adidas. Wunderschön und skurril zugleich.

Berlin, 21.30

Sonntag, 3. März 2013

Wiederkehr



Wie kehr ich so in dein Geheimnis wieder?
Wie ich dir wohl entschwand, auf welch gewundnen Wegen?
Und nun, herabgekommen gleich dem Regen,
der kehrt zur Erde wieder,
kehr ich dorthin, wo eben noch dein Leib gelegen,

und leg mich in die runden Formen nieder,
die in dem samtnen Gras zurückgeblieben;
ich hör im Winde sacht das Laub sich regen,
das, als wir gingen, rauschend ist geblieben;
und du bist hier, kehrst du auch nicht mehr wieder.

Gerrit Achterberg


Samstag, 2. März 2013

Montag, 4. Februar 2013

Dream of a drowned submariner

 
©Ingolf Hesse / irish-net.de

We run along easy at periscope depth
Sun dappling through clear water
So went the dream of the drowned submariner
Far away from the slaughter

Your hair is a strawflower that sings in the sun
My darling, my beautiful daughter
So went the dream of the drowned submariner
Cast away on the water

From down in the vault, down in the grave
Reaching up to the light on the waves

So she did run to him over the grass
She fell in his arms and he caught her
So went the dream of the drowned submariner
Far away on the water
Far away on the water

Mark Knopfler


Sonntag, 3. Februar 2013

Hier

Ich weiß nicht, wie es sonstwo ist,
aber hier auf der Erde gibt's von allem recht viel.
Hier produziert man Stühle und Wehmut,
Scheren, Geigen, Zärtlichkeit, Transistoren,
Staudämme, Scherze, Tassen. 

Vielleicht gibt's anderswo mehr von allem,
nur fehlt's wer weiß warum an Gemälden,
Bildröhren, Piroggen, Tränentüchern. 

Hier gibt's eine Unmenge Orte mit Umgebung. 
Manche gewinnt man besonders lieb, 
gibt ihnen vertraute Namen,
schützt sie vor dem Bösen.

 Vielleicht gibt's anderswo ähnliche Orte,
doch niemand findet sie schön. 

Vielleicht hat man wie nirgends oder nur selten
einen eigenen Rumpf hier
und damit das nötige Zubehör,
um fremden Kindern eigene hinzuzufügen.
Außerdem Arme, Beine und den erstaunten Kopf.

Die Unwissenheit ist überarbeitet hier, 
ständig zählt sie, vergleicht und mißt,
zieht daraus Schlüsse und Wurzeln.

Ich weiß, ich weiß, was du denkst.
Nichts ist von Dauer hier, 
weil schon ewig auf ewig die Elemente herrschen. 
Aber schau - die Elemente ermüden leicht
und müssen manchmal lange ausruhen
bis zum nächsten Mal.

Und ich weiß, was du noch denkst.
Kriege, Kriege, Kriege.
Doch auch zwischen ihnen gibt's Pausen.
Habt acht - die Menschen sind schlecht.
Rührt euch - die Menschen sind gut.
 Bei habt acht entstehen Einöden.
Bei rührt euch baut man im Schweiße des Angesichts Häuser 
und wohnt rasch in ihnen. 

Das Leben auf der Erde kommt recht billig.
Für Träume zum Beispiel zahlst du keinen Groschen. 
Für Illusionen - erst wenn sie verloren sind.
Für den Besitz des Körpers - nur mit dem Körper.

Und als sei das nicht genug,
kreist du ohne Fahrschein im Karussell der Planeten
und damit als Schwarzfahrer in den Galaxien
durch so schwindelerregende Zeiten,
daß hier auf der Erde sich nichts auch nur rührt.

Denn sieh genau hin:
der Tisch steht, wo er stand,
auf dem Tisch liegt, wie zuvor, der Zettel,
durchs angelehnte Fenster kommt nur ein Lufthauch,
und in den Wänden klafft kein schrecklicher Riß, 
durch den es dich ins Nirgendwo verwehen könnte. 

Wisława Szymborska
aus: Glückliche Liebe und andere Gedichte, Berlin 2014, Suhrkamp



Freitag, 1. Februar 2013

In einer kleinen Konditorei...


In einer kleinen Konditorei,
da saßen wir zwei bei Kuchen und Tee.
Du sprachst kein Wort, kein einziges Wort
und wusstest sofort, dass ich Dich versteh!
Und das elektrische Klavier,
das klimpert leise, eine Weise von Liebesleid und Weh!
Und in der kleinen Konditorei,
da saßen wir zwei bei Kuchen und Tee.

Wenn unser Herz für ein geliebtes Wesen schlägt,
wenn man ein liebes Bild im Herzen trägt,
dann meidet gern man all den Lärm, 
den lauten Trubel, das Licht,
die jubelnde Welt, die liebt man dann nicht. 
Und ist das Herz vor lauter Liebessehnsucht krank,
sucht es im Dunkeln sich still eine Bank, 
denn in der Dämmerung Schein, 
sitzt man hübsch einsam zu zwei'n,
in einem Eckchen glücklich allein.

In einer kleinen Konditorei,
da saßen wir zwei bei Kuchen und Tee.
Du sprachst kein Wort, kein einziges Wort
und wusstest sofort, dass ich Dich versteh!
Und das elektrische Klavier,
das klimpert leise, eine Weise von Liebesleid und Weh!
Und in der kleinen Konditorei,
da saßen wir zwei bei Kuchen und Tee.

Vico Torriani

Für meine Großmutter, die diesen Schmachtfetzen liebte. 
L.



Nighthawks





Stille. 








Donnerstag, 31. Januar 2013

Verscheuchen wir die Zeit, Geliebter,


damit es sie nicht mehr gibt, die langen
Minuten, die so schwer vorbeigehn,
wenn du nicht bei mir bist
und überall bist,
ohne da zu sein, aber da.
Du schmerzt mich im Leib,
streichelst meine Haut,
und bist nicht da,
und bist nahe,
ich fühle dich hervortreten
aus der Luft und mich anfüllen,
doch ich bin allein, Geliebter,
und dieses Dich-Sehen,
ohne daß du da bist,
läßt mich manchmal empfinden 
wie eine verwundete Löwin,
ich krümme mich,
drehe mich um mich selbst,
suche dich,
und du bist nicht da,
und bist doch 
dort 
so nahe.

Gioconda Belli




Mittwoch, 30. Januar 2013

Freiraum


Jedes Mal
wenn ich jetzt an dich denke
entsteht in meinem Kopf
ein freier Raum
eine Art Vorraum zu dir
in dem sonst nichts ist

Ich stelle fest
am Ende jedes Tages
dass viel mehr freier Raum
in meinem Kopf
übrig gewesen sein muss
als ich sonst glaubte

Erich Fried




Dienstag, 29. Januar 2013

Nach dem Winter


Nichts hat sich ereignet
Hab Holz gehackt und das Holz
redete von Glut
zweiundzwanzig Briefe geschrieben zwei erhalten
dem Regen zugesehn
wie er vom Wind auf Händen
getragen wurde und doch fiel
Ein anderer bin ich jetzt

Christoph Wilhelm Aigner



Montag, 28. Januar 2013

Die Begegnung


Die erste Nacht beschreiben, in der ich dich sah, du standst vor
der Glasscheibe des Hotels, die dich mit deiner grünen Jacke und
deinem ruhigen Gesicht spiegelte, du fragtest mich etwas, als ich
herauskam, und halfst mir, einen Poncho, weiß wie der Mond,
überzulegen, und dann gingen wir lange Zeit durch eine fremde
Stadt, die aber schon unsere war, weil wir zusammen waren,
schüchtern, voll von Worten, angesammelt in dem Jahr, in dem
wir uns nicht gesprochen hatten, und wir tranken einen Kaffee
und dann noch einen, und während ich einen Nußkuchen aß,
küßtest du mich, und ich blickte dich immer noch erschrocken
an, wenn ich dich neben mir sah, und danach gingen wir weiter
und nahmen ein Taxi, weil mir kalt war, und ich verriet dir, daß
ich Gedichte für dich geschrieben hatte, und wir gingen in meine
Wohnung, um sie zu lesen und uns zu küssen, wie zwei
Hungrige, ganz allein und geschützt vor der Neugier einer
ganzen Stadt voller Leute, und wir verloren uns in gierigen
Umarmungen, bis oben hin voll von Dingen, die man nicht
nennen kann, dafür sind die Worte noch nicht erfunden, und wir
berührten einander wie jemand, der zum ersten Mal das Gefühl
des Berührens erfährt, und gaben uns der Liebe hin, der Liebe,
der Liebe, bis wir einschliefen, bis wir aufwachten, und du gingst
diesen Morgen weg und liebtest mich auf andere Weise, und ich
wachte später auf und besah mich im Spiegel, um nachzusehn,
ob ich wirklich diese nackte Frau sei, der man die Küsse ansah,
mit wirrem Haar und im ganzen Körper glücklich, und lange
glaubte ich, daß es nur ein Traum gewesen sei, bis ich dein
Halstuch erblickte, das du vergessen hattest, das spiegelte sich
auch im Spiegel.

Gioconda Belli


Sonntag, 27. Januar 2013

Nostalgie


Nostalgie ist ein atmosphärischer Zustand
als käme sie von der baltischen Küste
Angst vor Begierde
das einzig Makellose bevor das Altern beginnt
ich sehe die Schiffe, wie sie schwerfällig schaukeln
in der nässenden Sonne 
ein Gefühl von Unendlichkeit
schneidet in die Wüste, Schenkel einer schlafenden Frau
bestimmte Ansichten
entstellen meinen Blick
ich kann die Erosionen meines Gehirns nicht ertasten 
bin mir weniger gewiss
als ein denkendes Ei
früher besaß ich ein Fernglas
und vergrößerte alles damit
über den Dächern
erblühten die Gärten 
wie Sand zu Glas

Nora Iuga




Samstag, 26. Januar 2013

Das Unglück



Wenn es dann schließlich eintritt, ist ja alles
schon tausendmal durchdacht und längst besprochen,
hast du dich schon so oft mit deiner Angst verkrochen
und alles durchgerechnet für den Fall des Falles,

daß nun, wo's wirklich ernst wird, nicht einmal ein Pochen
im Hals dir zeigt, wie es mit Urgewalt 
dich überkommt. Mit einem Herz aus Glas, ganz kalt,
tust du und läßt, was du dereinst versprochen,

und lebst ansonsten einfach weiter. Erst nach Wochen
fällt dir ein Wimmern auf, wie es ununterbrochen
ans Ohr dir dringt. Doch nebenan der Raum ist leer,

und wie du schließlich merkst, du selber bist es, der 
ganz leis' zu hören ist, da wird dir jählings schwer 
ums Herz, und erst in diesem Augenblick ist es gebrochen. 

Matthias Politycki






Freitag, 25. Januar 2013

Sterbeleben


Ich sterbe immerzu
und immeroffen
Ich sterbe immerfort
und immer hier
Ich sterbe immer einmal
und immer ein Mal.

Ich sterbe immer wieder
Ich sterbe wie ich lebe
Ich lebe manchmal hinaus
und manchmal hinunter
Ich sterbe manchmal hinunter
und manchmal hinauf

Woran ich sterbe?
Am Hass
und an der Liebe
an der Gleichgültigkeit
an der Fülle
und an der Not

An der Leere einer Nacht
am Inhalt eines Tages
immer einmal an uns
und immer wieder an ihnen
Ich sterbe an dir
ich sterbe an mir

Ich sterbe an einigen Kreuzen
Ich sterbe in einer Falle
Ich sterbe an der Arbeit
Ich sterbe am Weg
Ich sterbe am Zuvieltun
und am Zuwenigtun

Ich sterbe so lange
bis ich gestorben bin
Wer sagt
dass ich sterbe?
Ich sterbe nie
sondern lebe

Erich Fried


Donnerstag, 24. Januar 2013

Gute Reise, schöne Rose


Gute Reise, schöne Rose
Gern laß ich dich geh'n
Denn für meinen kleinen Garten
Warst du viel zu schön.

Du bist eine falsche Schlange
Lange sah ich das nicht ein
Darum hab' ich keine Bange
Lange bist du nicht allein.
Darum hab' ich keine Bange
Lange bist du nicht allein.

Liebe kommt
Das steht fest
Dann
Wenn ihr das gefällt
Rosenrot
Himmelblau
Ist für uns dann die Welt!

Und auch ich lief daher
Einer Rose oft nach
Doch ich lieb sie nicht mehr
Seit sie mich stach.
Gute Reise, schöne Rose
Gern laß ich dich geh'n
Denn für meinen kleinen Garten
Warst du viel zu schön.

Du bist eine falsche Schlange
Lange sah ich das nicht ein
Darum hab' ich keine Bange
Lange bist du nicht allein.
Darum hab' ich keine Bange
Lange bist du nicht allein.

Amor trifft
Wen er will
Und man sagt
Daß der Wicht
Dann mit dem
Den er trifft
Durch die Blume nur spricht.
Aber wenn dieser Schuft
Durch die Rose mal spricht
Geht man gleich in die Luft
Weil das so sticht.

Gute Reise, schöne Rose
Gern laß ich dich geh'n
Denn für meinen kleinen Garten
Warst du viel zu schön.

Du bist eine falsche Schlange
Lange sah ich das nicht ein
Darum hab' ich keine Bange
Lange bist du nicht allein.
Darum hab' ich keine Bange
Lange bist du nicht allein.

Liebe geht
Das steht fest
Auch wenn ihr das gefällt
öd und leer
Grau in grau
Ist für uns dann die Welt.
Ob man lacht oder weint
Oder still sich betrinkt?
Nie verkehrt
Wie mir scheint
Ist
Wenn man singt.

Gute Reise, schöne Rose
Gern laß ich dich geh'n
Denn für meinen kleinen Garten
Warst du viel zu schön.

Du bist eine falsche Schlange
Lange sah ich das nicht ein
Darum hab' ich keine Bange
Lange bist du nicht allein.
Darum hab' ich keine Bange
Lange bist du nicht allein.

Adamo


Ich weiß. Ich bin mal wieder melodramatisch. 
Ich finde nichts, das dagegen spräche. 
L.


Mittwoch, 23. Januar 2013

Mittsommerduft


Nach diesem großen Tanz mit dem Regen
atmet die Erde so heftig,
daß die Scheiben beschlagen,
hängt die Luft so schwer und voller Honig,
als wärst du am Mittag des Mittsommertages
in ein Rosenlabyrinth geraten.

Dabei ist hier keine einzige Rose zu sehen,
und wie du dich umblickst, wen du 
umarmen könntest, um bei diesem Duft 
nicht ins Taumeln zu geraten, ist keiner da.

Auch der Weg hinaus aus dem
Irrgarten dieses Tages
muß dir allein gelingen;
        um dich in die Büsche zu schlagen, bist du
        um einen Baum zu umarmen, bist du 
noch nicht einsam genug. 

Matthias Politycki

Dienstag, 22. Januar 2013

Überdrüssig meiner Briefe


Du bist längst überdrüssig meiner Briefe.
Längst abgestumpft von meiner Traurigkeit.
Es legt der Mond sich sanft ins tiefe
Geäst der Nacht mit unbegrenzter Zeit.

Der halbe Mond das ist die halbe Liebe,
Und sie nimmt ab in Eifersucht und Zorn
Und jede Zeile, die ich dir auch schriebe,
Wär um der Wahrheit Willen irr, verworrn.

Einander können wir uns nichts mehr glauben.
Die Schuppensterne falln der Nacht vom Schopf.
Die Junikäfer flattern wie die Tauben
Und schlagen an das Fenster mit dem Kopf.

Die Nachtigall betäubt mir alle Sinne.
Ich sehe nicht den Abend, der noch brennt.
Ich weiß, daß alles, was ich jetzt noch beginne,
Wird deinem Glück zum blassen Ornament.

Hans-Eckardt Wenzel



Montag, 21. Januar 2013

September


Trauriges Ende, angeklungen
Wie eine tiefe Saite,
In meinen Erinnerungen
Schwingt ein Ton ins Weite.

Botschaft der Telegrafendrähte,
Lippen, die verstummen,
Selbst der Sommer, der späte -
Uberall so ein Summen.

Fremder Sprachen mächtiger Ton,
Abschied aller von allen,
Wie die Blätter des wilden Mohns,
Die auf die Erde fallen.

Weißt du noch? Als alles begann,
Haben wir so gesessen,
Regen der über die Fenster rann:
ERINNERUNG UND VERGESSEN.

Hans-Eckardt Wenzel



Sonntag, 20. Januar 2013

Kleine Nachtmusik


Am Abend wird das Meer dann wieder blauer
und tiefer als am Tag gedacht, poliert
und still wie morgens, hast du's je kapiert?
Und? Hast du ihn gespürt, den dunklen Schauer?

Am Abend schmeckt die allerletzte Kippe
beinah so bitterscharf und grauenhaft
wie einst die erste, die du je gepafft - 
vor dir die Nacht nur mehr als allerletzte Klippe.

Und? Hast du dir daraus auch irgendwann
vernichtend deinen Schluß gezogen?
Hast dir nichtsdestoweniger sodann

etwas Beruhigendes zurechtgesogen?
Sitzt weiterhin am Meer mit Zigarette
und rauchst mit deinem Schicksal um die Wette

Matthias Politycki



Ich möchte vor Wut in der Luft zerspringen,
vor Wut und vor Trauer,
und das Schlimmste daran - du weißt es. 
Denn du trägst Schuld daran. 
L.


Samstag, 19. Januar 2013

Des Teufels Amulett


Dir schenke ich mein Herz, nur für den Fall,
daß du mal eines brauchen solltest,
und dazu noch alles, was ich sonst noch habe (doch
das ist fast nichts), gesetzt, du wolltest
noch mehr, so nimm's! Nimm jedes meiner Worte mit, 
das ich dir zugeflüstert, zugedacht
am Morgen, Mittag, Abend, in der Nacht,
nimm jede kleinste Silbe, meine ganze Liebe,
so daß - verstummt bis an das Ende meiner Tage - 
ich nur ein leeres Blatt noch wär' im wirren Weltgetriebe,
wenn ich nicht wüßte, nicht ganz sicher wüßte,
daß ich dich noch mal wiedersehen müßte
in dieser oder jener Welt - 

Matthias Politycki




Freitag, 18. Januar 2013

Junimond


Die Welt schaut rauf zu meinem Fenster
Mit müden Augen ganz staubig und scheu
Ich bin hier oben auf meiner Wolke
Ich seh Dich kommen aber Du gehst vorbei
Doch jetzt tuts nicht mehr weh
Nee jetzt tut's nicht mehr weh
Und alles bleibt stumm
Und kein Sturm kommt auf
Wenn ich Dich seh

Es ist vorbei bye, bye Junimond
Es ist vorbei es ist vorbei bye, bye

Zweitausend Stunden hab ich gewartet
Ich hab sie alle gezählt und verflucht
Ich hab getrunken geraucht und gebetet
Hab Dich flußauf- und flußabwärts gesucht
Doch jetzt tuts nicht mehr weh
Nee jetzt tut's nicht mehr weh
Und alles bleibt stehn
Und kein Sturm kommt auf wenn ich Dich seh

Es ist vorbei bye, bye Junimond
Es ist vorbei es ist vorbei bye, bye...

Rio Reiser



Donnerstag, 17. Januar 2013

Alles Lüge

Es ist wahr daß das Jahr über dreihundert Tage
in nur zweiundfünfzig Wochen schafft
Es ist wahr es ist wahr daß das Ausland
vielmehr Ausländer als Deutsche hat
Es ist wahr daß die Sonne nicht um die Erde
und der Mond nicht um 'n Fußball kreist
Es ist wahr daß der Gründer von New York
nicht Kamel oder Camel sondern Stuyvesant heißt
Das ist wahr das ist wahr
Aber sonst aber sonst:
Alles Lüge Alles Lüge
Alles Lüge Alles Lüge

Es ist wahr es ist wahr die meisten Menschen
wollen nicht in Dortmund leben sondern Essen
Es ist wahr es ist wahr daß die Kühe
das Gras nicht rauchen sondern fressen
Es ist wahr es ist wahr
daß Hamburg nicht die Hauptstadt von McDonalds ist
Es ist wahr es ist wahr daß der Papst zwar die Pille nicht nimmt
aber trotzdem keine Kinder kriegt

Das ist wahr das ist wahr
Aber sonst - aber sonst:
Alles Lüge Alles Lüge
Alles Lüge Alles Lüge

Selbst wenn Du mich fragst ob ich Dich liebe und ich sag ja
Weiß ich manchmal nicht genau ist das nun Lüge oder wahr
Weil ich oft gar nicht mehr weiß was ist das: Liebe
Liebt der Papa sein Auto liebt die Mama den Kaffee
Liebt das Baby seine Windeln wie der Weihnachtsmann den Schnee
Lieben Kinder Schokolade wie die Hausfrau den Herd
Oder ist da mehr oder ist da mehr
Oder ist das oder ist das oder ist das

Alles Lüge Alles Lüge
Alles Lüge Alles Lüge...

Rio Reiser



Mittwoch, 16. Januar 2013

Nun ist es draußen still


















Nun ist es draußen still.
Die Nacht geht in die dritte Stunde.
Der Satz, den ich dir sagen will,
 Der schläft in meinem Munde.

Die Sterne blinzeln uns wie toll.
Der Mond ist grade erst gestartet.
Was ich dir sagen will und soll,
Das schweigt, das schweigt und wartet.

Du bist mir nah, faß meine Hand.
Die Stille trommelt in die Ohren.
Was du mit einem Wort benannt,
Hat seine Kraft verloren.

Hans-Eckardt Wenzel




Dienstag, 15. Januar 2013

Ich bin vom grünen Licht so schwer...


Ich bin die ganze Zeit nur hier geblieben.
Die Andern kamen und sind wieder fort.
Ich habe Briefe hinterher geschrieben.
Die Andern schrieben mir kein Wort.
Ich geh die ganze Zeit durch gleiche Türen.
Ich koch die ganze Zeit im selben Topf.
Gehn wie ein Gitter quer durch meinen Kopf.

Die Andern sprachen. Stumm blieb, wie ein Stein, ich.
Die Andern gingen und ich blieb allein.
Nur im Vergangnen waren wir uns einig.
Was kommen würde, würd uns entzwein.
Ich bin die ganze Zeit nicht weggegangen.
Am Tisch wars schöner, saßen wir zu viert.
Selbst vom Stück Butter, das die Andern angefangen,
Hab ich noch wochenlang geschmiert.


Hans-Eckardt Wenzel



Montag, 14. Januar 2013

Kein Zimmer




Lange haben wir gesucht nach dieser Stadt.
Wie ein Kürbis hing der Mond, ganz gelb und satt,
Wie erträumt in einem tiefen
Rausch aus Rum und süßem Gras,
Aus den Bars die Radios riefen
Uns den ganzen Abend nach,
Bis die Kneipen zugemacht.
Und kein Zimmer für die Nacht.

Du an meine Seite mit dem hellen Kleid
Warst mit mir geflohn aus der Gemütlichkeit,
Wo wie festgeschraubt wir saßen,
Fremd in fremder Galaxie,
Und der Lärm auf allen Straßen
Machte uns verlorn wie nie.
Unerwartet unbedacht.
Und kein Zimmer für die Nacht.

Aus der Ferne schiens, als hörte man das Meer,
So als trüg der Himmel seine Wellen her.
Auf der Bank mit einer Flasche
Wasser und vom Suchen matt,
Und wir schleppten unsre Tasche
Nochmal durch die ganze Stadt.
So wie Händler ihre Fracht.
Und kein Zimmer für die Nacht.

Kannten keinen, keiner kannte dich und mich,
Und die Stadt ging langsam schlafen, so ganz sommerlich,
Wie in einen Rausch mit schweren
Träumen, in besoffne Ruh,
Und wir saßen in dem leeren
Park und sahn den Sternen zu,
Die‘s am Himmel sich bequem gemacht.
Und kein Zimmer für die Nacht.

Hans-Eckardt Wenzel


Sonntag, 13. Januar 2013

Bevor ich sterbe


Noch einmal sprechen
von der Wärme des Lebens
damit noch einige wissen:
Es ist nicht warm
aber es könnte sein

Bevor ich sterbe
noch einmal sprechen
von Liebe
damit noch einige sagen:
Das gab es
das muss es geben

Noch einmal sprechen
vom Glück der Hoffnung auf Glück
damit noch einige fragen:
Was war das
wann kommt es wieder?

Erich Fried