... salut de nouveau

Wieder auf Reisen.
Du fragst oft nach mir.
Ich telephonier
noch vorm Zubettgehen mit dir.


Freu mich auf den Moment,
wenn ich steh in der Tür,

und du läufst mir jauchzend entgegen.

...

Und dann öffne ich meine Arme für dich.
Ja, dann öffne ich meine Arme für dich!


Dann öffne ich meine Arme, Gerhard Schöne (1992)


Dienstag, 31. Oktober 2017

zu gewinnen

Eine Welt von Genüssen ist zu gewinnen.
Wir haben dabei nichts zu verlieren als die Langeweile.

Raoul Vaneigem


Montag, 30. Oktober 2017

Blaupausen

wie alles hier nach den Matrizen riecht ein
Vogelflug reißt seine Spur in unsern Blick
ein Sperling sagst du zeichnest mit dem Finger 
die Linien jenes Schattenrisses nach den wir uns 
früher aus dem Kinderbuch abpausten und
während deine Hand noch vor dem Fenster
ein Ende der Bewegung sucht den stummen
Vogeltod beug ich mich tief in dein Knie hat einen
kirschhaften Geruch ein Sommertag fällt schräg
aus dem Erinnern und deine Hand in meinem Haar
drückt meinen Kopf zu tief in einen Tümpel wie lang 
hältst du mich aus hast du gefragt wie lange braucht's
bis jemand nichts mehr sagt dein Blick hält meinen 
Schattenriss wie alle nur Kopien, körperwarm

Nora Bossong
aus: Text + Kritik, Hrsg. Heinz Ludwig Arnold, Nr. 171, Junge Lyrik



Sonntag, 29. Oktober 2017

The Forest Man

What a modest and enthusiastic paragon!

Samstag, 28. Oktober 2017

Eine Melodie und drei Songs


Je n' ai pas peur de la route 
Faudra voir, faut qu'on y goûte 
Des méandres au creux des reins 
Et tout ira bien (là) 
Le vent nous portera 
Ton message à la Grande Ourse 
Et la trajectoire de la course 
Un instantané de velours 
Même s'il ne sert à rien (va) 
Le vent l'emportera 
Tout disparaîtra mais 
Le vent nous portera 

La caresse et la mitraille 
et Cette plaie qui nous tiraille 
Le palais des autres jours 
D'hier et demain 
Le vent les portera 
Génétique en bandoulière 
Des chromosomes dans l'atmosphère 

Des taxis pour les galaxies 
Et mon tapis volant dis ? 
Le vent l'emportera 
Tout disparaîtra mais 
Le vent nous portera 
Ce parfum de nos années mortes 
Ce qui peut frapper à ta porte 
Infinité de destins 
On en pose un et qu'est-ce qu'on en retient ? 
Le vent l'emportera 
Pendant que la marée monte 
et Que chacun refait ses comptes 
J'emmène au creux de mon ombre 
Des poussières de toi 
Le vent les portera 
Tout disparaîtra mais 
Le vent nous portera

Noir Désir


Ich habe keine Angst, was soll passieren?
Man wird es sehen und ausprobieren,
die Windungen in den Lenden
und es wird schon wieder gut gehen.

Der Wind trägt sie davon.

Was wolltest Du vom großen Wagen,
wohin soll Dein Auftrag Dich verschlagen?
Der Augenblick in Samt gehüllt,
auch wenn das keinen Sinn hat,

der Wind trägt ihn davon.
Nichts von alledem wird bleiben,
der Wind trägt uns davon.

Liebkosungen und Kugelhagel,
alle Wunden, die uns plagen,
Geschmack aus einer anderen Zeit,
von gestern oder morgen.

Der Wind trägt ihn davon.
Am Waffengurt die Entwicklungslehre,
Chromosomen in der Atmosphäre.
Mit dem Taxi in die Galaxie.
Und auch mein fliegender Teppich,

ihn trägt der Wind davon.
Nichts von alledem wird bleiben,
der Wind trägt uns davon.

Wohlgeruch vergangener Zeiten.
Wer könnte an Deiner Türe läuten?
Eine Unzahl von Bestimmungen -
such Dir eine aus. Was wird Dir davon bleiben?

Der Wind trägt sie davon.

Fluten überschwemmen Land und Felder,
jeder macht die Abrechnung mit sich selber
und ich nehme mit in meine Schattenwelt,
was mir von Deinem Staub bleibt.

Der Wind trägt ihn davon.
Nichts von alledem wird bleiben,
der Wind trägt uns davon.
Felix Meyer

Ich brenne, wie die Liebe brennt.
Ich bin der Fluch, den jeder kennt.
Ich bin so heiß vor Liebesglut
Und rase doch vor Wut.

Als Adam spät nach Hause kam
Da trieb ich Eva listig an,
Seine Rippen nachzuzählen
Es könnt ja eine fehlen

Ich finde keine Ruh

Ich bin das Gift, das langsam wirkt
Bin der Riss, den man verbirgt
Vorwurf frisst in mir und Neid.
Wo ich bin, ist Leid

Ich finde keine Ruh
Argwohn treibt mich um und
Niemals sag ich du

Ich schleiche mich in Liebesnächte
In mir toben böse Mächte
Ich kann mit scharfen Augen sehn
Und doch nichts verstehen.

Ich finde keine Ruh

Ich bin der Liebe arme Schwester
Zerstöre gerne ihre Nester.
Ich will haben und nicht geben.
Herrschen statt zu leben.

Ich finde keine Ruh
Argwohn treibt mich um und
Niemals sag ich du

Ich bin so hart, kann nicht verzeihen
Ahne schon, ich bleib allein
Meine Seele ist versperrt
Und mein Blick verzerrt

Ich finde keine Ruh

Ich geh in meiner Schwester Spur
Doch wenn sie singt, dann schrei ich nur
Und wenn meine Schwester tanzt
Vergehe ich vor Angst

Ich finde keine Ruh
Argwohn treibt mich um und
Niemals sag ich du
Barbara Thalheim

Freitag, 27. Oktober 2017

INSOMNIA

The moon in the bureau mirror
looks out a million miles
(and perhaps with pride, at herself,
but she never, never smiles)
far and away beyond sleep, or
perhaps she's a daytime sleeper.

By the Universe deserted,
she'd tell it to go to hell,
and she'd find a body of water,
or a mirror, on which to dwell.
So wrap up care in a cobweb
and drop it down the well

into that world inverted
where left is always right,
where the shadows are really the body,
where we stay awake all night,
where the heavens are shallow as the sea
is now deep, and you love me. 

Elizabeth Bishop
aus: Elizabeth Bishop, The Complete Poems, Farrar, Straus and Giroux, 1969, New York


Donnerstag, 26. Oktober 2017

Letter to N.Y.

for Louise Crane

In your next letter I wish you'd say
where you are going and what you are doing;
how are the plays, and after the plays
what ohter pleasures you're pursuing:

taking cabs in the middle of the night,
driving as if to save your soul
where the road goes round and round the park
and the meter glares like a moral owl,

and the trees look so queer and green
standing alone in big black caves
and suddenly you're in a different place
where everything seems to happen in waves, 

and most of the jokes you just can't catch,
like dirty words rubbed off slate,
and the songs are loud but somehow dim
and it gets so terribly late,

and coming out of the brownstone house
to the gray sidewalk, the watered street,
one side of the buildings rises with the sun
like a glistening field of wheat.

- Wheat, not oats, dear. I'm afraid
if it's wheat it's none of your sowing,
nevertheless I'd like to know
what you are doing and where you are going.

Elizabeth Bishop
aus: Elizabeth Bishop, The Complete Poems, Farrar, Straus and Giroux, 1969, New York


Mittwoch, 25. Oktober 2017

Don't you

Pour JP.

Sonntag, 22. Oktober 2017

umgestalten

Ich wollte damals alles umgestalten
Und wußte nicht, daß Änderung unmöglich,
Wenn wir das Äußre, nicht das Innre wenden,
Weil alles Leben in der Waage schwebet,
Daß ewig das Verhältnis wiederkehret
Und jeder, der zerstört, sich selbst zerstöret.

Clemens Brentano, Szene aus meinen Kinderjahren, um 1800

Samstag, 21. Oktober 2017

lebendig

Sie fühlt sich lebendig, ihr Herz schlug schneller, wenn er vor ihrer Tür stand, und sie betrachtete jeden Morgen, als würde sie ein Geschenk auspacken. Sie lachte oder schlug die Beine übereinander oder schwang leicht die Hüften und war sich ihrer selbst dabei bewusster als früher. ... Nachdem sie sich geliebt hatten, ließ sie den Abdruck seines Kopfes auf dem Kissen unberührt, als wollte sie sein Wesen bis zum nächsten Mal bewahren. Sie standen oft auf dem Balkon und beobachteten die Pfaue auf dem Dach des verlassenen Hauses, hielten sich dabei manchmal an den Händen, und dann dachte sie an das nächste und das übernächste Mal, wenn sie es wieder tun würden. Das war Liebe, den nächsten Tag nicht erwarten können. 

Chimamanda Ngozi Adichie
aus: Chimamanda Ngozi Adichie, Americanah, S. Fischer, 2013, Frankfurt am Main

For B. - 
for all the joy 
and happiness 
you bring into my life.
شکریہ

Freitag, 20. Oktober 2017

gedankenschwer

Wenn ich zu ihm kam, stand er gedankenschwer vom schreibtisch auf. ich hatte geduscht, er hatte gedacht. 
"Ja, vielleicht liegt mir gar nicht an einem anderen menschen", sann er einmal. "aber ich brauche manchmal auch wärme und feuchtigkeit."
Ein mensch, der wärme und feuchtigkeit braucht - was gibt es dagegen zu sagen?

Verena Stefan, Häutungen, Frauenoffensive, 1975, München

Come al solito - per M. e come al solito: troppo tardi.
Bella illustrazione di un sentimento semplice.

Donnerstag, 19. Oktober 2017

So war das

   So war das vor dreihundert Jahren mit dem damals nicht existierenden Fenster. Eisen, Holz, verrußte Öfen, modernde Dachziegel, Stickluft, das Halbdunkel bewölkter Tage, Feuchtigkeit, die niedrige Decke, Mäuse, die Wände von Gerüchen durchdrungen, und Türen, eine Vielzahl von Türen, Fluchten von Zimmern, Fluren, Schränken, Anrichten, Kisten, Fächern, in denen Staub, Spinnweben und abgestandene Luft der Zeit ausgesetzt waren, ihrem monotonen Strömen, das seinen Niederschlag auf der Oberfläche der Dinge hinterläßt. Das alles gleicht so sehr dem Gedächtnis mit seiner unberechenbaren Struktur und der unfaßbaren Zahl von Orten, an denen alles wieder und noch einmal von vorn beginnen kann wie in einem wahnwitzigen Inventar, einem gründlichen Verzeichnis der Dinge und Möglichkeiten, das niemals seinen Grund erreicht, denn immer tut sich gleich ein weiterer auf und noch einer, denn der kleinste Augenblick teilt sich ja in noch kleinere, und diese kleineren zersprühen wie ein Funkenregen zu Hunderten von Sternen, und jeder von ihnen ist anders in Farbe, Geschmack und Gestalt, und so immer weiter, bis der Verstand selbst explodiert: das ist die einzige Unendlichkeit, die wir haben, alles andere sind nur Krümel von ihr, zum Quadrat erhoben und reglos gemacht, also leblos. 
   Endlich passierte etwas. Jemand trat ein. Nur zwei Leute, doch das genügte. Ich stand auf, verließ die Kneipe und versuchte, den Tunnel zu finden, jene Passage, die sie mit mit ihren eigenen Leibern durch den Nachmittag gegraben hatten. 

Andrzej Stasiuk
aus: Andrzej Stasiuk, Die Welt hinter Dukla, Suhrkamp, 2002, Frankfurt am Main


Mittwoch, 18. Oktober 2017

THE SHAMPOO

The still explosions on the rocks,
the lichens, grow 
by spreading, gray, concentric shocks.
They have arranged
to meet the rings around the moon, although
within our memories they have not changed.

And since the heavens will attend
as long on us, 
you've been, dear friend,
precipitate and pragmatical;
and look what happens. For Time is
nothing if not amenable.

The shooting stars in your black hair
in bright formation
are flocking where,
so straight, so soon?
- Come, let me wash it in this big tin basin,
battered and shiny like the moon.

Elizabeth Bishop
from: Elizabeth Bishop, The Complete Poems, Farrar, Straus and Giroux, 1969, New York



Dienstag, 17. Oktober 2017

Fast schmerzlos

   So war das. Kaum einen Kilometer in der Minute, also hing das alles lange genug in der Luft, um ins Gedächtnis zu sinken; einen Abdruck zu hinterlassen wie Millionen anderer Bilder, die man dann in sich trägt und derentwegen der Mensch einem wirren Kaleidoskop gleicht und das Leben einer Halluzination, denn nichts von dem, was man betrachtet, ist, was es ist. Immer scheint etwas durch, schwimmt an die Oberfläche wie ein Tropfen Olivenöl, opalisiert, schillert und lockt wie Teufelswerk, wie ein Irrlicht, eine unendliche Verführung. Nichts kann man anfassen, ohne gleich etwas anderes zu berühren. Wie in einem alten Haus, wo ein leiser Tritt genügt, damit zwei Zimmer weiter die Gläser in der Anrichte klirren. So funktioniert der Verstand, und so bewahrt er uns vor dem Wahnsinn, denn wie könnte man leben, wenn die Ereignisse in der Zeit steckten wie Nägel in der Wand? Die Spinnweben der Erinnerung umgarnen den Kopf, und auch die Gegenwart ist deshalb nebelhaft, man kann sich sicher sein, daß sie fast schmerzlos zur Vergangenheit werden wird. 

Andrzej Stasiuk
aus: Andrzej Stasiuk, Die Welt hinter  Dukla, Suhrkamp, 2002, Frankfurt am Main



Montag, 16. Oktober 2017

Colonia Dignidad

Schwere Kost, aber ein ausgesprochen guter Film.

Sonntag, 15. Oktober 2017

nie wieder

Und während ich so dastand, die Sonne im Rücken, mußte ich an unseren Hund Mohr denken, der, als er schon blind und taub geworden war und uns nur mit Mühe erkannte, eines Tages nicht mehr nach Hause kam. Er war verschwunden und wurde, obwohl wir ihn viele Tage lang suchten, nie wieder gefunden, als wollte er uns die Hoffnung lassen, er sei ganz einfach weggegangen, so wie er uns vor gut zehn Jahren zugelaufen war. Wenn die Tiere sich eine Religion ausdenken sollten, dachte ich, dann würden sie darin den reinen Raum verehren, so wie unser Wahnsinn sich immerfort um die Zeit dreht.

Andrzej Stasiuk
aus: Andrzej Stasiuk, Die Welt hinter Dukla, Suhrkamp, 2002, Frankfurt am Main


Freitag, 13. Oktober 2017

deshalb ist alles erlaubt

   Das Schienennetz verlor sich zwischen niedriger Bebauung. Es war von Rost bedeckt. Gestrüpp, versteckte Winkel, der Geruch der erhitzten Teerdächer - gerade richtig, um sich hinzusetzen, Obstwein zu trinken und die Fernzüge zu betrachten,  in die man niemals einsteigen wird. Besonnte Mauern, kleine Sitzbänke aus ein paar Ziegelsteinen und einem Brett, das Funkeln grüner und brauner Glassplitter, weiße Kapseln, die bunten Müllzungen, die von den Halden herunterleckten, und ein zwölfjähriges Mädchen in Mamas hochhackigen Schuhen mit einem lackierten Kinderwagen, der seine fünfzehn Jahre alt war. Die Eisenbahnvorstädte erinnern immer an Niemandsland - weder lebt, noch wohnt, noch arbeitet man dort, deshalb ist alles erlaubt, und die faulen Züge, die eben erst Anlauf nehmen oder schon wieder abbremsen, verbreiten eine unwirkliche Atmosphäre, und alles ertrinkt im Halbschlaf der Peripherie zwischen Kindheit und Reife, wo Traum und Realität nicht zu trennen sind. 

Andrzej Stasiuk
aus: Andrzej Stasiuk, Die Welt hinter Dukla, Suhrkamp, 2002, Frankfurt am Main



Donnerstag, 12. Oktober 2017

"Ich finde Gefallen am Lesen.

Ich versenke mich in alle Bücher, die mir in die Hände fallen, und tauch erst wieder aus ihnen auf, wenn der Vorhang fällt. Ein Buch ist eine Welt, eine fertige Welt, eine Welt mit einem Anfang und einem Ende. Jede Seite eines Buches ist eine Stadt. Jede Zeile ist eine Straße. Jedes Wort ist eine Behausung. Meine Augen ziehen durch die Straße, öffnen jede Tür, dringen in jede Behausung ein. [...] Ich versuche nicht, mich an das zu erinnern, was in einem Buch passiert. Heute früh, beim Aufwachen aus meinem Buch empfand ich ein köstliches Gefühl von Trunkenheit und Weite, eine große Ungeduld, eine herrliche Lust. Alles, was ich von einem Buch Buch verlange, ist, mir genau auf diese Weise Energie und Mut einzuflößen, mir genau so zu sagen, dass es mehr im Leben gibt, als ich mir einverleiben kann, mir genau so die Dringlichkeit des Handels ins Gedächtnis zu rufen."

Bérénice in "Von Verschlungenen verschlungen" von Réjean Ducharme (1941-2017)


Montag, 9. Oktober 2017

wird das Wort zum Lied...


So beunruhigt wie ich bin
(Die Nerven wie vom Eisenkamm gestriegelt)
Fällt mir nicht Heitres in den Sinn:
Ein trüber Teich, der nicht mehr spiegelt.

Die Welt ist schön und nicht nur Schein.
Auf ihr sind auserwählte Orte.
Mykonos sehn und selig sein!
Im Leib und im Organ Worte,

Das luft- und lichtempfindlich ist
Und spielt bei Lebensfarben
Und das der Rost der Gräue frißt,
Wenn unsre Sinne nördlich darben.

So will ich mir die Inseln malen,
Die weiß dem Meer entsteigen
Und als gefüllte Rosenschalen
Sich in den Schaum der Brandung neigen,

Wenn Abend wird und Rauch von Flechten,
Die man verfeuert, meerwärts zieht...
Und unwillkürlich in den Nächten
Des Südens wird das Wort zum Lied. 

Eva Strittmatter
aus: Träume vom Anders - Eine literarische Reise um die Welt 2017, KV+H Verlag, 2016, Unterhaching



Sonntag, 8. Oktober 2017