Keine verlorenen Schlüssel, sondern
abhandengekommene Lebensfreude, Geduld oder Toleranz: In Zürich hat ein
Fundbüro für Immaterielles eröffnet.
Die Geduld verloren? Verflucht noch mal, fluchen
bringt nichts. Losheulen auch nichts, und vom Zusammenreißen ist sie
noch nie zurückgekommen, die Geduld. Was allerdings einen Versuch wert
ist: den Verlust beim Fundbüro melden. In Zürich ist das jetzt möglich,
dort hat vor gut zwei Wochen ein Fundbüro für Immaterielles eröffnet.
Die Mitarbeiter am Schalter beschäftigen sich nicht mit verlorenen
Schlüsseln und Geldbeuteln, sondern mit abhandengekommener Liebe und
Hoffnung - oder eben Geduld.
Ein junger Mann zum Beispiel meldete dort kürzlich seine Toleranz
als vermisst. Einer seiner Jugendfreunde vertrete in sozialen Fragen so
verquere Ansichten, dass sie ihm bei einem gemeinsamen Bierchen
abhandengekommen sei, gab er am Schalter im ehemaligen Tickethäuschen am
Werdmühleplatz zu Protokoll. "Dabei will ich auch Intoleranten
gegenüber tolerant sein", sagte er. Ein anderer meldete den Fund einer
Feedbackschlaufe des Universums. Wann immer er auf die Uhr schaue, zeige
die eine Schnapszahl an. Das gebe ihm das gute Gefühl, auf Kurs
zu sein.Die Idee zu dem Fundbüro mit dem leeren Lager stammt von zwei Schweizern. Andrea Keller und Patrick Bolle finden, dass verlorene Hoffnung oft schwerer wiegt als verlorene Handschuhe. Deshalb eröffneten die Publizistin und der Kulturmanager ihr "Fundbüro 2" und besetzen es bis zum Ende des Jahres an jeweils einem Samstag im Monat. Zudem sammeln sie Verluste und Fundstücke über die Website des Projekts. "Mit der Kunstaktion wollen wir die Menschen anregen, über den Wert von Dingen nachzudenken", sagt Andrea Keller.
Insgesamt gingen innerhalb der ersten beiden Wochen etwa hundert Meldungen ein, Lustiges, Trauriges, Verstörendes, Politisches und Poetisches. Hinter den großen Themen (die Grafik zeigt den aktuellen Stand) stecken oftmals kleine Geschichten, die viel über das Leben, die Menschen und die Zeit erzählen. Da wurden Dinge gemeldet, die zwar abhandenkamen, aber sicherlich nicht vermisst werden. Ein sieben Jahre altes Mädchen schrieb, es habe die Angst vor dem Keller verloren. Eine junge Frau, sie fürchte sich endlich nicht mehr, zu dick zu sein.
Da wurden aber auch viel zu große Verluste mit viel
zu kleinen Worten gemeldet. Die Liebe zur Ehefrau. Die Gesundheit. Die
ungeborenen Kinder. Und da wurden Dinge vermisst, die ein anderer
gefunden hat. 9,5 Prozent der Meldungen beklagten den Verlust von Zeit, 6,5
deren Fund. Er habe einen halben Tag Zeit gefunden, schreibt einer,
"wenn also jemand etwas Zeit von mir braucht, einfach im Fundbüro
melden. Ich kann bei einer Arbeit helfen - oder auch einfach da sein
und zuhören."
Eine Frau vermisst ihre Lebensfreude. "Ich konnte in den Dingen
immer etwas Schönes sehen." Nun aber sei sie launig und betrübt. Ein
Mann meldete, er habe seine Lebensfreude wiedergefunden. Fundort:
auf Reisen.
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Für verlorenes und gefundenes Immaterielles: https://www.fundbuero2.ch/