Angeblich
las er zur Entspannung Romane.
Doch er stellte Ansprüche:
Sie
durften nicht traurig enden.
Wenn er auf einen traurigen
stieß,
warf er ihn wütend ins Feuer.
Ob’s stimmt
oder nicht –
ich glaub es gern.
Sein Geist durchmaß
so viele Gebiete und Zeiten,
er sah sich so viele ausgestorbene
Gattungen an,
Triumphe der Stärkeren über die Schwächeren,
so
viele Überlebensversuche,
früher oder später vergeblich,
daß
er sich zumindest von der Fiktion
und ihrer Mikroskala
mit
Recht ein Happy-End erhoffte.
Also unbedingt: ein
Lichtstrahl hinter den Wolken,
die Geliebten wieder vereint, die
Familien versöhnt,
die Zweifel zerstreut, die Treue
belohnt,
das Vermögen zurückgewonnen, die Schätze
ausgegraben,
die Nachbarn zerknirscht über ihre Sturheit,
der
gute Name wiederhergestellt, die Habgier beschämt,
die alten
Jungfern an ehrbare Pastoren vergeben,
die Intriganten auf die
andere Halbkugel verbannt,
die Dokumentenfälscher von der
Treppe gestoßen,
die Mädchenverführer auf dem Weg zum
Altar,
die Waisen in Obhut, die Witwen beruhigt,
der
Hochmut ganz klein, die Wunden verheilt,
die verlorenen Söhne
an den Tisch gebeten,
der bittere Kelch ins Meer geleert,
die
Taschentücher naß von Freudentränen,
allgemeines Singen und
Musizieren,
und das Hündchen Fido,
schon im ersten Kapitel
verschwunden –
möge es wieder durchs Haus laufen
und
fröhlich bellen.
Wisława Szymborska
Aus
dem Polnischen von Renate Schmidgall.
Aus: Glückliche Liebe
und andere Gedichte. Berlin: Suhrkamp Verlag 2012.