Am
Photographieren liebte Alice den Vorgang mehr als das Resultat. Sie
liebte es, die Kamera zu öffnen und den neuen Film einzulegen, ihn
gerade so weit aus der Kapsel zu ziehen, dass die Perforation in der
Führung einrasten konnte, und sich vorzustellen, dass dieser leere
Film bald schon etwas aufnehmen würde, aber nicht zu wissen, was,
ein paarmal auszulösen, um den Film zu transportieren, sich ein
Objekt vorzunehmen, scharf zu stellen, mit dem Oberkörper vor- und
zurück gehen und nach eigenem Gutdünken zu entscheiden, ob
bestimmte Teile der Realität dazugehören oder ausgeschlossen sein
sollten, vergrößert oder verzerrt.
Immer wenn sie das
Klicken des Auslösers hörte, gefolgt von einem leichten Rascheln,
musste sie daran denken, wie sie als kleines Mädchen im Garten ihres
Ferienhauses in den Bergen Heuschrecken gefangen und in den zum Kelch
zusammengelegten Händen festgehalten hatte. Sie dachte, dass es beim
Photographieren genauso war, dass sie die Zeit einfing und auf
Zelluloid festhielt, sie auf dem Sprung zum nächsten Augenblick
erwischte.
Paolo
Giordano, Die Einsamkeit der Primzahlen, Heyne Verlag, 2011,
München